30 Jahre seitdem Frauen in der EKR zum Pfarramt zugelassen werden – ein Grund zum Feiern!


Pfarrerinnen der EKR - von links nach rechts: Dr. Elfriede Dörr, Bettina Kenst, Angelika Beer, Adriana Florea, Hildegard-Servatius-Depner

Was bedeutet es, in Siebenbürgen Pfarrerin zu sein? - Drei Pfarrerinnen, drei Geschichten, drei Perspektiven: Angelika Beer, Elfriede Dörr und Hildegard Servatius-Depner sind Pfarrerinnen in Siebenbürgen. Sie alle haben unterschiedliche Funktionen inne. Angelika Beer hat seit anderthalb Jahren eine Pfarrstelle im Schässburger Bezirk mit Malmkrog und Umgebung als Schwerpunkt, Dr. Elfriede Dörr ist Beauftragte für Ökumene und Fortbildung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Hildegard Servatius-Depner ist seit über zwei Jahrzehnten Pfarrerin in Mediasch und im Mediascher Bezirk. Die Frauenordination in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) wurde 1994 beschlossen. Im Jahr 2000 wurde die erste Frau ordiniert. Welche Erfahrungen machen Frauen im Pfarramt? Wie steht es um die Sichtbarkeit von Frauen im Amt? Und nicht zuletzt: Was kann es bedeuten, die Minderheit innerhalb der Minderheit zu sein? Über diese Herausforderungen erzählen sie, jede aus ihrer Perspektive, Aurelia Brecht (ADZ, Hermannstadt).


Ihre Erfahrungen sind sicher unterschiedlich. Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf, bzw. Ihrer Berufung? Was ist Ihre Geschichte?

Angelika Beer (A.B.): Auf Umwegen. Aber Umwege erhöhen ja bekanntlich die Ortskenntnis. Meine Großmutter hat mir schon nach dem Abitur prophezeit, dass ich Pfarrerin werden würde – und sie hat Recht behalten. Ich habe Theologie studiert, allerdings zunächst, um Journalistin zu werden. Danach habe ich in verschiedenen Projekten gearbeitet, aber immer wieder gern bei Gottesdiensten mitgewirkt und zunehmend meine Wurzeln in Siebenbürgen wiederentdeckt. So kam es, dass ich mir überlegt habe, es doch mit dem Vikariat zu versuchen. Ich konnte mir den geistlichen Dienst am ehesten in der EKR und weniger in einer deutschen Landeskirche vorstellen.

Denn ich wusste: Hier, wo meine Wurzeln sind, habe ich auch Kraftquellen für mich. Man kann in diesem Beruf nicht nur geben, da sein und zuhören, sondern man braucht auch etwas, was zu einem spricht, das einem etwas gibt. Und das ist hier in diesem Land für mich in einem besonderen Maße vorhanden.

Hildegard Servatius-Depner (H.S.-D.): Ich bin durch das Schülerheim, in dem ich gewohnt und Andachten mitbekommen habe, dazu gekommen. Hier habe ich das Gemeindeleben und die Landeskirche kennengelernt. Als es in der elften Klasse um die Berufswahl ging, hieß es, ich könnte Gemeindehelferin werden. Eine Variante war damals, zwei Jahre zu studieren und dann in der Gemeinde mitzuarbeiten. Die Andachten, die ich damals gehört habe, haben mir immer gefallen und haben mir gut getan. Mit der Zeit wuchs in mir der Gedanke, Theologie zu studieren. Ich habe gemerkt, dass das zu mir passt und ich auf diesem Weg etwas bewegen kann. Für eine Berufung kann ich kein Datum nennen – aber ich denke, dass ich so etwas durch die Prägung im Schülerheim schon früh empfunden habe.

Elfriede Dörr (E.D.): Mich haben schon als Kind theologische Fragen beschäftigt. Eine, die mir sehr zu schaffen machte, war: Warum muss einer für mich sterben, damit mir meine Sünden vergeben werden? Sowohl der Religionsunterricht als auch der Konfirmandenunterricht waren sehr verschult und solche Fragen hatten keinen Platz. So kam ich dahin, dass ich einige Fragen, die mich beschäftigten, im Studium klären konnte, spätere Fragen dann im Rahmen meiner Promotion. Heute finde ich in einem evangelischen Kloster Gespräche und Antworten, die meinen Glauben stark prägen.

Die Berufung empfand ich erst in der Ordination. Das war der Moment, in dem ich dachte: Jetzt wird es ernst. Ich verstand, dass zu diesem Ruf auch das gehört, dass ich nun eine Amtsträgerin bin und als solche Leitungsaufgaben übernehmen würde.

Jemand hatte bei der Tischrede an dem Festtag das Bild vom Schiff für die Gemeinde genommen, der Pfarrer stünde am Steuerrad und solle den Kurs halten, auch im Sturm, hieß es. Ich glaube, am Anfang war ich von solchen Bildern überfordert. Ich bin schließlich über einen Umweg in diese Anforderungen hineingewachsen: Die internationale Ökumene. Ich kam früh in Gremien, in denen ich plötzlich das Gesicht meiner Kirche war. Mit diesem musste ich umgehen und habe dann Bilder für mich gesucht, mit denen ich unterwegs sein konnte. Eine kleine Minderheitenkirche im großen Kontext der Ökumene ist vielleicht eine Piccoloflöte, die im ganzen Konzert nicht immer zum Klingen kommt, aber wenn sie zum Klingen kommt, dann ist es wichtig, dass sie zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Ton trifft.

Was bedeutet es, in Siebenbürgen Pfarrerin zu sein?

H.S.-D.: Für mich ist es sehr spannend gewesen und das ist es noch immer, weil so viel Neues passiert. Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen, denen man sich stellen kann und ich stelle mich ihnen gerne: Für mich ist das wie eine Überwindung von Grenzen. Vielleicht hat das auch etwas mit Grenzen und mit der Auswanderung – ein spontaner Gedanke – zu tun: sich hier der Situation zu stellen und etwas daraus zu machen. Gleichzeitig erfahre ich auch sehr viel Dank und Wertschätzung in meiner Arbeit hier vor Ort. Jede Begegnung mit älteren Gemeindemitgliedern von den Dörfern, die ich betreue, oder jede Aktivität mit Kindern und Jugendlichen in der Stadtgemeinde Mediasch stärkt mich in meiner Arbeit hier in Siebenbürgen.

A.B.: Es ist ein Abenteuer. Wie ein Wanderweg, den man beschreitet. Ich muss gerade an das Pilgern auf dem Jakobsweg im Sommer 2009 denken. Da guckt man sich vorher auch die Tour an, aber man weiß trotzdem nicht, wie der Weg werden wird. So weiß ich zwar, was im Kirchenjahr auf mich zukommt, mit Ostern, Weihnachten, und auch mit dem Schuljahr. Trotzdem weiß ich nicht, wie es konkret sein wird. Im Pfarramt zu sein ist für mich auch eine Einübung in Gottvertrauen und ein Beschenkt-Werden. Ich höre oft von Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, dass sie Angst davor haben, Veränderungen erleben zu müssen, zu schrumpfen, ärmer zu werden. Dann sage ich ihnen: Schaut hierher, wir sind schon klein, und es geht uns trotzdem gut.

Ich erlebe viel Lebendigkeit hier und eine Relevanz auch über unsere Kirchen(burgen)mauern hinaus. Mir macht es Mut, wenn ich Gäste habe, die hier genau das erfahren und dann gestärkt weitergehen. Die sagen: Ihr seid vielleicht nicht so ausgestattet wie wir in manchen Dingen ausgestattet sind, aber ihr habt so viele Schätze, ihr habt Segen. Und das spürt man. Wir haben natürlich auch Herausforderungen. Aber das Stärkende überwiegt, finde ich.

E.D.: Es ist ein zugesprochener Gestaltungsraum. Es ist klar, du wirst einiges gut machen, du wirst Erwartungen erfüllen, aber auch enttäuschen, du wirst Fehler machen. Wie alle deine Kollegen auch. Ich erinnere mich jedoch, dass der Einstieg in diesen Gestaltungsraum, der vorher von Männern besetzt war, schon ein Akt war. Pfarrerin in Siebenbürgen zu sein, bedeutet immer wieder, auch mit dem Thema konfrontiert zu werden, dass man diesen Dienst als Frau macht. Leute kommen und sagen: „Wie du von der Kanzel sprichst, das spricht zu meinem Herzen – Frauen können das!“ Man kommt als Amtsträgerin zuweilen aber auch in ein Geflecht von Entwertung oder theologisch verpackter Abwertung, damit habe ich zumindest weniger gerechnet. Mich beeindruckt es, wenn Kollegen dagegen Wort ergreifen und sich mit den Kolleginnen solidarisieren.

Es gibt also auch mal Gegenwind, wenn man als Frau in so ein Amt geht?

A.B.: Was ich erlebe, ist zum einen sehr viel Normalität, aber auch, dass mein Dasein für manche eine Anfechtung darstellt. Ich versuche, mein Sein und Arbeiten, mein Leben und Wirken im Pfarramt zu normalisieren und nicht zu problematisieren. Ich möchte mich darin üben, zu gucken: Wo nehme ich wahr und schaue zu, wo springe ich nicht gleich in einen Konflikt rein und wo ist es wichtig, deutlich meinen Standpunkt zu vertreten und Worte zu finden, die klar benennen, was los ist? Das ist nicht immer einfach. Ich habe einmal von einer Chefin etwas gelernt, die in einer Konfliktsituation sagte: „Lassen Sie uns ins Gelingen verliebt bleiben.“ Das möchte ich mir zu Herzen nehmen und so wirken.

H.S.-D: Ich arbeite in einem Team-Pfarramt, mein Mann ist auch Pfarrer. Nach Elfriede und einer weiteren Kollegin gehörte ich zur ersten Generation, die ins Pfarramt kam. Man hatte damals zwar gesagt, Frauenordination ja, aber erprobt war das noch nicht. Ich habe nie provoziert und mich aber auch nie benachteiligt gefühlt. Vielleicht war es auch einfacher, weil Elfriede und noch eine Vikarin vorher bereits Pfarrerinnen in Mediasch gewesen waren. Man wusste: Es gibt sie, die Frauen. Man hat ein Amt und ist ordiniert wie die anderen männlichen Kollegen. Ich habe es immer so empfunden, dass man das respektiert hat. Es kam durchaus zu Situationen, in denen Kollegen meinten, es sei nicht in Ordnung, dass Frauen im Pfarramt sind. Dann wurde eingewendet, Pfarramt ja, aber Frauen sollten nicht dem Mann übergeordnet werden und Dechantin werden. Das habe ich nicht so ganz verstanden. Ich lebe nach dem Motto: Meine Arbeit tun – dann sollen die anderen beurteilen, wie meine Arbeit war und ob sie weniger wert ist als die eines Mannes.

Es fehlten also vielleicht auch die Vorbilder?

E.D.: Ja. Als ich anfing, fühlte ich mich schon allein. Wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich, war das auch kulturell bedingt. Es ist nicht einfach, in eine traditionelle Gemeinde zu kommen, wo dieses Amt der Pfarrfrau ein sehr starkes war. Ich bin zwar mit einem Pfarrer verheiratet, Pfarrfrau-Sein war aber nicht mein Selbstbild, und diese Rollenerwartungen mochte ich nicht erfüllen. Hinzu  kam, dass ich niemanden hatte, mit dem ich mich austauschen konnte. Ich erinnere mich gut an die Begegnung mit einer jungen slowakischen Pfarrerin in Graz, wie wir in einer Konferenzpause zusammen Eis aßen und ich den Eindruck hatte, dass ich aufatme. Jemand, die ähnliche Erfahrungen hatte wie ich und Austausch suchte, wie ich. Das hat mir gut getan. Später hatte ich dann im internationalen Kontext vielfach Gelegenheit, mich an anderen Frauen zu orientieren, die meine Vorbilder wurden.

H.S.-D.: Ich habe ein Praktikum bei einer Pfarrfamilie in Deutschland gemacht, in der die Frau die Gemeindeleitung innehatte. Das Paar hat sich die Stelle geteilt. Hier habe ich hautnah miterlebt, wie es ist, als Pfarrerin in einer Gemeinde zu sein. Ich habe erlebt, wie sie in Seelsorgegesprächen geweint hat, wie sie in Bauausschüssen die Starke war. Es war für mich interessant zu sehen, wie man als Frau in diesen Bereichen aktiv sein kann. Ich habe mir Vorbilder im Ausland gesucht.

Sie haben die Idee zu einem Krepelkleid gehabt. Jede von Ihnen hat sich ein Kleid schneidern lassen, so dass Sie in Anlehnung an die Krepelweste der Pfarrer als siebenbürgisch-sächsische Geistliche erkennbar sind. Wie kam es dazu und was war der Gedanke dahinter?

H.S.-D.: Vor 17 Jahren haben wir uns mit Elfriede getroffen und wollten etwas entwerfen, was der Tracht der Männer entspricht, wenn diese den Gottesdienst zelebrieren. Man hatte uns damals Zeichnungen vorbereitet, die durch die Tracht inspiriert waren. Aber wir konnten uns damit nicht identifizieren – vielleicht war die Zeit noch nicht reif dafür. Ich habe es auch nicht als so notwendig gesehen, weil wir in der Zwischenzeit die Stola entwickelt haben, die ich im Gottesdienst trage – so hatte ich für den liturgischen Gebrauch Kleidung. Nun bin ich dankbar, ein Kleidungsstück zu haben, um bei öffentlichen Auftritten und bei ökumenischen Begegnungen als evangelische Pfarrerin
erkannt zu werden.

E.D.: Die Frage war, wie man als Amtsträgerin in der Öffentlichkeit erkennbar wird. Es ging uns weniger um eine Amtstracht für den liturgischen Gebrauch. Deswegen hatten wir bei der Gestaltung eine gewisse Freiheit: Jede hat mit der Designerin ausgemacht, welchen Stoff, welches Design es haben soll. Es sind unterschiedliche Kleider herausgekommen. Diese ersten Entwürfe sind von unseren Kolleginnen, Vikarinnen und Diakoninnen und auch von den Kollegen sehr gut aufgenommen worden. Das hat uns gefreut. Im ökumenischen Kontext faszinierte mich immer, was sich Lutheranerinnen aus anderen Ecken der Welt einfallen ließen, um erkennbar zu sein. Aber sie benutzten immer wieder das Collarhemd. Und wir haben die Krepeln. Klar kann man sagen: Krepeln? – lohnt sich das auf dem ökumenischen nationalen und internationalen Parkett? Aber das ist eben etwas speziell Siebenbürgisches, und: Wer soll das pflegen, wenn nicht wir?

A.B.: Die Erkennbarkeit kann ich bestätigen. Am 8. März war ich abends bei einer Filmvorführung, zu der die Hermannstädter Konsulin eingeladen hatte. Die meisten kannten mich dort schon – aber in dem Moment erkannten mich die Leute als Pfarrerin und haben das Zitat verstanden. Auch im ökumenischen Kontext wird es erkannt.

Das habe ich während der Ökumenischen Gebetswoche in Schässburg erlebt. Und erst kürzlich, als ich in dem Kleid zu einem Hausabendmahl gegangen bin, hat mich ein Nachbar und Gemeindemitglied gesehen und kurz gezuckt. Er hat wahrgenommen, dass ich als Pfarrerin unterwegs bin und nicht auf dem Weg zum Brot kaufen.

Wie verstehen Sie Ihre Rolle und wie füllen Sie sie aus?

E.D.: Ich verstehe meine Rolle als Geistliche mit einem besonderen kirchlichen Auftrag, dem der Fortbildung von Pfarrern und Pfarrerinnen und den ökumenischen Beziehungen. Ich glaube, ich bin jemand, die gerne und genau zuhören möchte. Ich nehme die Impulse auf, versuche sie einzuarbeiten und die Menschen einzubinden, die mit diesen Impulsen zu mir kommen. Ich setze eigene Impulse und mag die Gespräche, die daraus entstehen. Ich schaffe Räume, in denen Begegnung möglich ist, mit Gott, dem Nächsten – wie das so schön in der gängigen Kirchensprache heißt – und auch mit sich selbst. Ich denke, dass das Menschen stärker macht für ihren eigenen Weg. Das wäre
mein Wunsch, dass mir das hier und da gelänge.

A.B.: Ich verstehe mein Wirken als Begleitung, als Gestaltung und auch als Sich-Hinein-Fühlen in die verschiedenen Kontexte. Es geht darum, zu versuchen, das, was da ist, hervorzubringen und Worte dafür zu finden: Im Trauerfall oder zu Freudenzeiten, wenn es um Taufe, Trauung oder Konfirmation geht. Sprache, auch Worte in Konfliktfällen zu finden. Zu schauen: Worum geht es vordergründig? Worum geht es eventuell eigentlich? Was ist hier gerade los? Was sollte miteinander besprochen werden? Worüber sollte miteinander geschwiegen werden? Was sollte betrauert werden? Auf diesem Parkett Worte, Bilder, Gesten – eben eine Kommunikationsform zu finden, die die Menschen anrührt und stärkt.

H.S.-D.: Ähnlich wie Angelika es beschrieben hat, sehe ich mich als Begleitende, die sich neben die Leute stellt, ein Stück Weg mit ihnen geht und sie bestärkt. Vielleicht sind es bei mir nicht so stark die Worte, sondern eher die Taten oder das Werk. Ich sehe mich eher in Aktivitäten mit anderen, die auch manchmal ohne Worte ablaufen.

Meine Rolle ist es, auch Netzwerke zu schaffen: Indem ich Leute zusammenbringe, ohne Agierende oder Tonangebende zu sein. Wo nicht ich jemanden tröste, sondern wo die Leute einander trösten und miteinander ins Gespräch kommen. Das kann man gut in der Gemeindearbeit, in Gemeindegruppen oder zum Beispiel bei Wanderungen machen.

Wo liegen die Chancen als Frau im Amt, und was kann anders sein, wenn eine Frau das Amt ausfüllt?

H.S.-D.: Der andere Blickpunkt, die andere Wahrnehmung der Situation, die andere Erfahrungsbasis, das Mütterliche, das man mitbringt. Die Themen, die man ins Gespräch einbringt, ob nun bei der Predigt oder in den verschiedenen Kreisen. Ich bin dankbar für die Stärkung, die ich im Vikariat erhalten habe, um diesen Weg zu gehen.

A.B.: Im letzten Jahr beim Abschlussgottesdienst der Ökumenischen Gebetswoche in Schäßburg waren wir 14 Geistliche: 13 Männer und ich. Ich hatte eine Lesung oder ein Gebet gemacht. Beim Hinausgehen haben mir Frauen und Männer, aber vor allem Frauen, auch ungarischsprachige und rumänischsprachige Frauen, zu verstehen gegeben, dass sie das gut fanden. Denn im Kirchenschiff saßen mehr Frauen als Männer. Sie fanden es gut, eine weibliche Stimme gehört zu haben. Eben nicht nur in der Kirchenbank zu sitzen, sondern auch stellvertretend mit einer Frau zu hören zu sein. Eine Gesellschaft besteht ja aus Männern und Frauen. Es ist wichtig, dass das, was ist, auch vorkommt im geistlichen Leben, sprachlich oder visuell: Es sollte abgebildet werden. Allein die Art, etwas weiterzugeben, zu sprechen oder zu singen, empfinden viele schon als bereichernd, weil es eben eine Frauenstimme ist. So wie Nachrichtensprecher und -sprecherinnen sich abwechseln, geht das auch auf der Kanzel gut.

E.D.: Angelika beschreibt hier etwas Wesentliches. Frauen aus der Gemeinde kommen plötzlich mit ihren Erfahrungen in der Predigt und in der Reflexion vor, weil das ein anderer Erfahrungshorizont ist. Ich fand den Weltgebetstag der Frauen sehr wertvoll, aber das war immer nur ein Gottesdienst im Jahr ... Dass wir so weit gekommen sind und unsere Kirche die Ordination von Frauen eingeführt hat, verdanken wir dem Lutherischen Weltbund. Bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Polen im September dieses Jahres haben die polnischen Frauen berichtet, wie lange es gedauert hat und welche Hürden es auszuräumen galt, bis die Ordination der Frauen eingeführt wurde. Die Frauen dort haben empfunden, dass ihre Kirche in der Normalität angekommen sei. Da wurde mir klar: Die Ordination von Frauen ist ein unverzichtbares Kriterium für die versöhnte Gemeinschaft von Männern und Frauen in der Kirche, aber bei Weitem nicht das einzige. Man kann es als einen Schritt hin zu „Gerechtigkeit“ oder „Frieden“ bezeichnen – es gibt auch das schöne hebräische Wort, das bezeichnet das alles zusammen: „Schalom“.