Auch an der Leitung und Gestaltung der Kirche beteiligt werden
Bettina Westfeld, wir feiern in diesem Jahr 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Warum findest Du als Kirchenleitende und als Historikerin es wichtig, dass ein solches Jubiläum gefeiert und die Geschichte von Frauen erinnert wird?
Zuerst möchte ich ganz herzlich zu diesem Jubiläum gratulieren. Es ist ein großer Grund zur Freude, wenn in einer Kirche Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht auf die Kanzel treten und das Evangelium verkündigen. Ich hatte das große Glück, so ein wunderbares Fest in Sachsen mitfeiern zu können. Im Jahre 2016 hat unsere 27. Landessynode in Sachsen daran erinnert, dass Frauen seit 50 Jahren in unseren Kirchen predigen. Wir erlebten auf dieser Feier einige Frauen der ersten Stunde, die unerschütterlich dafür geworben und auch gekämpft hatten, diesen Dienst tun zu können. Mit Erschütterung habe ich gehört, welche Hindernisse sie überwinden mussten und welche Schuld unsere Kirche auf sich geladen hat, in dem sie diese Möglichkeit verwehrte und Lebenswege auf schlimme Weise verbogen worden. Gleichzeitig wurde in ihrem Sprechen und Tun deutlich, wie lebendig und überzeugend sie ihren Auftrag, von Gott zu erzählen, wahrnahmen. Eine Kirche, die Menschen vom Pfarramt ausschließt, weil sie Frauen sind, nimmt nach meiner Überzeugung das biblische Zeugnis nicht ernst und nimmt sich sehr viele Möglichkeiten, wahrhaftig von der Frohen Botschaft zu predigen.
Leider muss ich feststellen, dass sich diese Erkenntnis noch nicht bei allen Geschwistern weltweit durchgesetzt hat. Während der letzten Ratstagung des Lutherischen Weltbundes im Juni 2024 und auch schon auf der Vollversammlung in Krakau erlebte ich eine sehr engagierte Theologin aus Madagaskar, die mit ihren Andachten und Bibelauslegungen uns alle mitriss. Mit Tränen in den Augen und sehr kämpferisch erzählte sie mir, dass ihre lutherische Kirche in ihrem Heimatland ihre Ordination ablehne, weil sie eine Frau sei. Mit leuchtenden Augen und voller Entschlossenheit erklärte sie mir, dass sie nicht aufgeben werde. Ich bete täglich für meine Schwester in Madagaskar und vor allem für die dortige Kirche, dass sie diesen fatalen Fehler korrigieren möge.
Gleichzeitig steht mir vor Augen, auf welchen beeindruckenden Weg sich eine Kirche machen kann, an deren Ziel die Einführung der Frauenordination steht. Als im Jahr 2022 der Bischof der polnischen Lutheraner Jerzy Samiec die ersten 9 Frauen zu Pfarrerinnen ordinierte, lag eine große Wegstrecke hinter allen. Jahrzehnte und vor allem die letzten zehn Jahre war in Polen intensiv über die Frauenordination diskutiert worden. Was mich mit Hoffnung erfüllt ist, dass viele Gegner überzeugt werden konnten und heute wie die neu ordinierten Frauen auch mit lächelnden Gesichtern in der Kirche standen.
Die Ordination von Frauen gehört zu den wesentlichen Bestandteilen unserer evangelischen Kirchen und leider gibt es auch in Deutschland und Rumänien bis heute einige Gemeindeglieder, die das in Frage stellen. Als fadenscheinige Begründung werden Bibelstellen herangezogen, die gar nichts über das Pfarramt in der Gemeinde an sich aussagen, vielmehr dafür instrumentalisiert werden. Daher ist so ein Jubiläum auch eine wichtige Möglichkeit, an die Gründe für die Frauenordination zu erinnern und den Schatz zu zeigen, den jede Kirche für sich heben kann, wenn sie das tut. Gleichzeitig reicht es nicht, wenn in unseren Kirchen Frauen auf die Kanzel steigen dürfen, und nicht an der aktiven Gestaltung und Leitung beteiligt sind. Daher möchte ich zum Schluss an den Brief des Paulus an die Galater erinnern, in der er so eindrücklich darlegt, was es heißt, als Christinnen und Christen zu leben und damit eine klare Handlungsanweisung für uns gibt, wie wir heute unser kirchliches Leben organisieren sollen: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Gal. 3, 28)
---
Bettina Westfeld ist Präsidentin der Landessynode der Evangelischen-Lutherischen Kirche Sachsens - der Partnerkirche der EKR. Sie ist ausserdem Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes sowie im Executivkomitee. Als Historikerin hat sie zu Themen der politischen Strafjustiz in der SBZ/DDR und der Geschichte der Inneren Mission und Diakonie gearbeitet. Sie ist verheiratet und hat 3 Söhne.
Reihe der Wortmeldungen aus der Ökumene von Elfriede Dörr