Behörden begrüßen Engagement der Evangelischen Kirche


Psychologe und Buchautor Dr. Mihai Copaceanu

Der neunte Runde Tisch, den die Migrationsbeauftrage der EKR, Erika Klemm, veranstaltete hatte es zumindest thematisch in sich, ging es nicht weniger als um das nicht einfache Thema der „sexuellen Abhängigkeit und Online-Pornografie.“ Ziel dieser Gesprächsrunden ist es, schwierige Themen mit möglichst unterschiedlichen Experten zu diskutieren und auch Vertreter von Behörden mit Fachleuten zu vernetzen.

Fast 40 Teilnehmer hatten sich zu dieser Veranstaltung angemeldet, die im März in der Evangelischen Akademie in Neppendorf stattfand. Es waren Psychologen, Pädagogen, Leiter und Verantwortliche von der Polizei, vom Kreisrat, Schulinspektorat, Sozialreferat, Grenz- und Zollbeamten. Veranstalterin Klemm freute zum einen, dass sie schon am ersten Tag der Bekanntgabe 12 Anmeldungen erhielt, zum anderen, dass fast die Hälfte Teilnehmer zum ersten Mal an ihrer Veranstaltung teilnimmt.

Gleich in der Vorstellungsrunde lobten die Teilnehmer den Mut der Kirche, dieses Thema, das nach wie vor in der rumänischen Gesellschaft ein Tabu ist, zu behandeln. Bischof Reinhart Guib sowie Akademieleiter und Pfarrer Dietrich Galter betonten in ihren Grußbotschaften, dass es zu den Aufgaben dieser Bildungseinrichtung gehört, auch schwierige Themen zu diskutieren und dass dieses Engagement sehr wohl auch von der Zivilgesellschaft honoriert wird.

Und dass es ein sehr wichtiges und dringendes Thema ist, zeigten immer wieder die Wortbeiträge der Teilnehmer, aber auch die Statistiken und auch Beispiele, die die beiden Referenten in ihren Vorträgen nannten. Es war dies Dr. Holger Lux, Arzt und Psychotherapeut sowie Mihai Copăceanu, Psychologe, Buchautor und gefragter Redner auf Fachkongressen.

Als roten Faden der Veranstaltung ließe sich sagen, dass man nicht früh genug mit der Aufklärung der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Eltern, beginnen kann, wenn es um die Nutzung von Pornografie und deren Abhängigkeit vor allem bei Jungen geht. Und auch bei den Mädchen und jungen Frauen geht es darum, sie aufzuklären. Es wurden nämlich Statistiken zitiert, dass es in Rumänien prozentuell die meisten minderjährigen schwangeren Frauen gibt, und dass zum Beispiel Frauen aus Rumänien den höchsten Anteil an Prostituierten – etwa ein Drittel – in Deutschland bilden.

In seinem Vortrag erläuterte Lux theoretische Hintergründe  sexueller Abhängigkeit und stellte auch einen Fragebogen vor mit 25 Fragen, die eine erste Auskunft – zumindest überflächlich – über diese Abhängigkeit geben kann. Da ging es dann zum Beispiel darum, ob man als Kind Opfer sexueller Übergriffe wurde oder ob man ein schlechtes Gewissen bezüglich des eigenen sexuellen Verhaltens hat. Schließlich plädierte Lux dafür, dass auch in Rumänien mehr Personal auszubilden ist, dass sich dieses Themas annimmt und dass aber im ersten Schritt – diese Abhängigkeit überhaupt als Krankheit annerkannt wird, wie es in den westlichen Ländern längst der Fall ist.

Der Psychologe Mihai Copăceanu arbeitet sehr viel mit Eltern und Jugendlichen zusammen. Er stellt fest, dass vor allem die Kinder zwischen sieben und 13 Jahren am stärksten gefährdet sind, wenn es um sexuellen Mißbrauch geht. Was die Täter angeht, kommen diese aus allen Altersgruppen, und die schlechte Nachricht sei, dass die meisten nicht therabierbar sind. Sie geben zu, was sie getan haben und noch mehr: dass sie nicht versprechen können, es nicht wieder zu tun.

Und die nächste schlechte Nachricht: Die Kinder kommen immer früher mit Pornografie in Kontakt, bei den 17-Jährigen sollen es nur noch ein Prozent sein, die damit noch nichts zu tun hatten. Eltern sind mit dieser Situation in der Regel überfordert, die einen wollen es einfach nicht wahrhaben, nach dem Motto: „Mein Kind doch nicht“, andere wiederum schimpfen mit ihren Sprößlingen. Seine Schlußfolgerung: Auch Eltern bräuchten dringend Hilfe, und er empfiehlt ihnen, früh genug und rechtzeitig mit den Kindern zu sprechen, denn je später sie mit ihnen reden, desto weniger glauben diese ihnen. Und: den Einfluß von Freunden nutzen.

Zum Schluß hatte Copăceanu einige Rollenspiele vorbereitet. Es waren Dialoge von Eltern mit dem Psychologen beziehungsweise Kinder mit dem Therapeuten, die die Teilnehmer gebeten wurden, vorzulesen, um die geschilderten Szenen danach zu analysieren. Ein allgemeingültiges Rezept gebe es nicht, meinte der Referent, betonte aber, dass ein offenes Gespräch, ohne Schuldzuweisungen helfen könne und auch klare Regelungen bezüglich der Internet-Nutzung.

Veranstaltet werden diese Runden Tische von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, dem Migrationsreferat und der EAS und dem Arbeitskreis Arche des Segens (ABS) Sibiu. Und ohne Unterstützumg des Lutherischen Weltbundes wäre die Veranstaltung nicht denkbar.

hk