Christus-Bilder in den evangelischen Kirchen Siebenbürgens
Unter obigen Thema zeigte das Landeskirchliche Museum in der Sommersaison 2024 eine Sonderausstellung im Teutsch-Haus. Angeregt wurde diese durch neu aufgetauchte ikonographische Themen und Bildtypen auf den Fresken, die Restaurator Kiss Lóránd während der letzten 30 Jahre in zahlreichen evangelischen Kirchen Siebenbürgens freigelegt hat.
Unter den reformatorischen Kirchen Siebenbürgens hat einzig die evangelische Kirche A.B. der Siebenbürger Sachsen die Bilder im Gottesdienst beibehalten. Die Hermannstädter Synode von 1557 hatte die 1550 inkraftgetretene „Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen” dahingehend abgewandelt, dass die Kultbilder, die 1557 noch vorhanden waren, in den Kirchen belassen wurden. So finden sich in den evangelischen Gotteshäusern Siebenbürgens auch zahlreiche vorreformatorische Christus-Darstellungen, deren ikonographische Vorbilder hauptsächlich der Ostkirche entstammen und über Italien und die Westkirche in die Länder West- und Zentraleuropas vermittelt wurden.
Ausgehend von den dogmatischen Voraussetzungen des Christus-Bildes bietet die Ausstellung einen kurzen Überblick zu dessen Entwicklung in Ost- und Westkirche, illustriert durch einheimische Beispiele, unter Einbezug der Sakramente und ihrer Symbole. Bilder zu Fresken und liturgischem Mobiliar haben vor allem Ciprian Firea und Mihály Ferenc beigesteuert; ihnen verdankt sich neben Sarkadi Nagy Emese, Dana Jenei und Maria Crăciun die wichtigste neuere Fachliteratur. Die Rollups der Ausstellung sind noch bis Ostern 2025 in der nahen Johanniskirche zu sehen.
Anders als in der Geschichte der kirchlichen Kunst folgen die ikonographischen Typen in der Ausstellung der Lebensgeschichte Jesu Christi, angefangen mit dem Stammbaum Jesse und der Heiligen Sippe, über Christi Geburt, Kindheitslegende, Taufe und Verklärung, dem Heiligen Abendmahl und der Passionsgeschichte, bis zu Kreuzigung und Auferstehung, den Andachtsbildtypen, der Maiestas Domini und dem Letzten Gericht, sowie den Symbolen und Allegorien aus dem Mittelalter und dem Zeitalter der Konfessionalisierung.
Die Darstellung Jesu am Kreuz wurde in der Ostkirche schon im 11. Jahrhundert reglementiert. Über die Mosaikikone der Imago pietatis aus der Karthäuserkirche Santa Croce in Gerusalemme von Rom erreichte die Darstellung des vom Kreuz abgenommenen Christus auch die Westkirche und brachte dort den Bildtyp des Schmerzensmanns hervor.
Unter den großen Exponaten war denn auch die prächtige Engelspietà aus Großkopisch vom Ende des 15. Jahrhunderts zu sehen, außerdem die Skulpturen des Mose und Jesu aus dem 17. Jahrhundert, von Michelsdorf bei Marktschelken. Das Astkreuz von Schönberg und die Pelikan-Zapfenfigur unbekannter Herkunft illustrieren jeweils einen eucharistischen Hymnus der Karfreitagsliturgie und verweisen damit auf den engen Zusammenhang von Liturgie und Kirchenkunst.
Die Fresken aus der Mediascher Umgebung, vor allem jene aus Kirtsch und Durles, stammen von ostkirchlich geprägten Meistern und zeigen bisher noch nicht vorgefundene Ikonographien: Jesu Einzug in Jerusalem, die Fußwaschung, die Imago pietatis und mehrere Schmerzensmann-Dastellungen, Christus in der Unterwelt, Maiestas-Dastellungen und das Letzte Gericht – dargestellt als Apostelgericht. Neben Fresken aus dem 13. Jahrhundert kam an der Südwand der Heltauer Kirche auch ein eindrücklicher Gnadenstuhl zum Vorschein.
Unter den Buchexponaten gab es neben Bibelillustrationen von 1511 und 1736 auch den sogenannten Lentulus-Brief, als Abschrift aus dem 16. Jahrhundert, beigebunden der 1559 in Basel gedruckten Kirchengeschichte des Eusebius. Der Lentulus-Brief entstammt der Mystik des 13. Jahrhunderts und ist ein fiktiver Brief, der angeblich von einem römischen Beamten namens Publius Lentulus, fiktiver Vorgänger des Pontius Pilatus, an den Senat geschrieben wurde, um eine Beschreibung von Jesus Christus zu geben. Der Brief ging um 1350 in die Vita Christi des Ludolf von Sachsen ein, wurde mit der Schriftmeditation durch Kopien und Buchdruck vor allem im Klostermilieu stark verbreitet und beeinflußte die Darstellung Christi in der westkirchlichen Kunst noch bis ins 19. Jahrhundert.
Die Ausstellung beabsichtigt, durch die neugewonnenen ikonographischen Themen Einblick in das kulturelle und das konfessionelle Profil Siebenbürgens zu vermitteln und dabei Christus als Herrn der Kirche und Zentrum des gemeinsamen christlichen Bekenntnisses zu ehren. Durch die Christus-Ikonographie wird zum einen der intensive kulturelle Austausch zwischen Ost- und Westkirche sichtbar gemacht; zum anderen werden kulturhistorische Aspekte der gewandelten Kirchlichkeit der Siebenbürger Sachsen und ihres Glaubens durch die Jahrhunderte verdeutlicht.
Heidrun König