Das tut auch den Kollegen gut - Wortmeldung zur Jubiläumsfeier 30 Jahre Ordination von Frauen in der EKR
Beim Reformationsjubiläum der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien im Oktober 2017 war ich eingeladen, in einem Dorf nahe Kronstadt die Sonntagspredigt zu halten. Für mich eine große Freude. Liturg war der Pfarrer, der über viele Jahre diese Gemeinde geleitet hatte. Es wurde ein denkwürdiger Gottesdienst, denn während der Evangelienlesung von der Auferstehung des Lazarus erlitt ein Mann einen Schlaganfall und konnte Gott sei Dank gerettet werden. Wir haben für ihn gebetet, die Gemeinde blieb ruhig und geduldig sitzen, bis der Rettungsdienst ihn übernahm und der Gottesdienst weiter gefeiert werden konnte.
In meinem Gedächtnis ist noch etwas anderes haften geblieben: Beim Festessen nach dem Gottesdienst erzählte mir der ehemalige Pfarrer dieser Gemeinde wie gerne er hier gelebt habe. Und fügte hinzu, dass die siebenbürgischen Pfarrer sich nicht gemein gemacht hätten mit den Bauern vom Dorf, sie seien die städtisch geprägten Gebildeten geblieben und hätten nur miteinander verkehrt. Mich hat das damals empfindlich getroffen, war ich ja selbst einmal ein Kind eines Dorfes gewesen, das seinen Pfarrer über alles geliebt hatte. Diese Kluft, diese Pfarrherrlichkeit aber hatte ich nicht geliebt und sie ist für mich als Pfarrerin nicht nachahmenswert geworden. Beim 30jährigen Jubiläum der Frauenordination in Hermannstadt habe ich Kolleginnen kennengelernt, für die das ebenso gilt: keine Pfarrherrlichkeit, keine überhebliche Distanz zu den Menschen, sondern das genaue Gegenteil. Ein offenes Ohr haben für Menschen, zugewandt sein, Seelsorge, kreative Arbeit mit Kindern, alles tun, um sie zu fördern – christliche Gemeinde sein für alle Menschen im Dorf.
Liebe Kolleginnen, Ihr habt das Pfarrerbild in der evangelischen Kirche Siebenbürgens und Rumäniens verändert. Nicht nur äußerlich mit euren liturgischen Gewändern – auch das finde ich sehr gelungen. Von dieser Kluft und von Pfarrherrlichkeit habe ich nichts mehr gemerkt und habe Euch sehr gerne zugehört, wie Ihr von Eurer Arbeit mit Hingabe erzählt habt.
In der bayerischen Landeskirche war genau das die Besorgnis des Landesbischofs, der gegen die Frauenordination war – dass die Frauen das Amt verändern. Sein Nachfolger fürchtete das nicht und ab 1975 konnten Frauen zu Pfarrerinnen ordiniert werden. Als ich 1980 in Bayern ankam und mich kurze Zeit später entschied, Theologie zu studieren und Pfarrerin zu werden, hatte ich noch keine einzige Frau in diesem Amt erlebt. Doch das hat mich nicht gestört. Die Türen standen offen, meiner Leidenschaft für Theologie zu folgen. Und mit der Erfahrung, dass es eine Zuflucht gibt, wenn alles in die Brüche geht, was dein Leben bis dahin ausgemacht hat, wollte ich Seelsorgerin werden. Das Persönliche eintragen in Gottesdienst und Seelsorge ist für mich zentral geworden und das habe ich auch bei Euch erlebt, liebe Kolleginnen. Ja, es stimmt, Frauen verändern dieses Amt und ich bin sicher, das tut auch den Kollegen gut. Und erst recht den Gemeinden.
Melitta Müller-Hansen ist in Großscheuern und Hermannstadt aufgewachsen und 1980 mit Eltern und Geschwistern ausgewandert. Ihr Theologiestudium hat sie an der Theologischen Fakultät in Heidelberg und Erlangen 1989 abgeschlossen. Sie wurde 1992 zur Pfarrerin der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern ordiniert. Seit 2014 ist sie als Kirchenrätin Beauftragte der ELKB für Hörfunk und Fernsehen beim Bayerischen Rundfunk. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.