"Der Himmel kommt in unser irdisches Leben hinein"
Am einem sonnig-sommerlichen 26. Juli 2020, Siebenter Sonntag nach Trinitatis, hat uns der ehemalige Bezirksdechant des Hermannstädter Kirchenbezirks, Pfarrer Dietrich Galter aus Neppendorf, die Predigt zu Hebräer 13, 2 zur Verfügung gestellt.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus.
Als Vorpredigt möchte ich euch eine Geschichte erzählen. Sie hat sich im Herbst des Jahres 2015 in Deutschland zugetragen. So erzählt es nämlich die Dekanin Christiane Quincke, die damals in Pforzheim tätig war: Ein älteres Ehepaar war zum Wandern unterwegs, bei Bamberg, irgendwo in Franken. Sie hatten sich wohl etwas übernommen, denn sie waren schon ziemlich müde und geschafft.
Ihre Vorräte waren ausgegangen und sie suchten, wo sie etwas zu essen bekommen könnten. Da kamen sie an einem Haus vorbei, da stand „Brauereigasthof Hennemann“. Es war schon etwas merkwürdig, die vordere Tür war zugemauert, aber aus dem Fenster schaute ein junger Mann heraus, der winkte, sie sollten um das Haus herum gehen und dort erwartete er sie auch gleich und bat sie, Platz zu nehmen. Es kam ihnen schon etwas merkwürdig vor, denn gut Deutsch sprechen konnte er nicht. Doch sie setzten sich und er brachte ihnen etwas zu trinken und im Nu hatte er auch einen kleinen Imbiss hervorgezaubert, denn es waren noch zwei Leute zum Vorbereiten erschienen und sie hatten einen wunderbaren Imbiss dort mit Eiern, Tomaten, und Käse und Joghurt und Fladenbrot. Da merkten sie im Gespräch, dass der, der sie hereingebeten hatte, ein Flüchtling aus Syrien war, aus der nordsyrischen Stadt Qamischli. Er war als junger Anwalt nach Deutschland gekommen und in diesem ehemaligen Gasthof war nun eine Auffangstätte für Asylbewerber. Dieses Ehepaar, diese Wanderer wollten am Schluss zahlen. Da sagte der eine: „Ihr seid doch unsere Gäste. Wir leben hier und ihr seid vorbeigekommen und wir haben euch zu essen und zu trinken gegeben.“
Ihr Lieben, diese Geschichte hat die Menschen damals sehr berührt. Denn dieses Seniorenpaar, das hat davon erzählt und darüber wurden dann auch ein kurzer Film gedreht und hat in der Diskussion nachher, wie man mit den Fremden umgehen sollte, doch die Gemüter sehr bewegt und auch beruhigt. Und ich denke, es passt zu dem, was heute als Predigttext vorgesehen ist, nämlich wie wir mit Gästen und Fremden umzugehen haben.
Das Predigtwort lesen wir wie es geschrieben steht im Brief an die Hebräer im 13. Kapitel. So schreibt der Apostel: Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.
Der Herr segne diese Worte an unseren Herzen.
Ihr Lieben,
gastfrei zu sein vergesst nicht. So hat Luther dieses griechische Wort übersetzt, dass eigentlich die Freundlichkeit und die Liebe gegenüber dem Fremden meint. Gastfrei zu sein. Also ich denke mir, damals war es ja üblich, dass man Gäste bewirtete und aufnahm. Denn in unwirtlichen Gegenden ist es überlebensnotwendig, dass man Wasser oder etwas zu Essen bekommt. Und wir hier in Siebenbürgen machen das doch auch: Wenn jemand an unserer Tür klopft oder bei uns hereinkommt, dann wird er bewirtet. Aber das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Unsere Türen sind zugesperrt und nur wenn man klopft oder anruft, dann machen wir auf und gucken immer genau, wer ist da draußen.
Gastfrei zu sein vergesst nicht. Ich denke, der Apostel hat schon seinen Grund gehabt, den Christen damals das noch einmal hinter die Ohren zu schreiben. Weil ja gerade die Christen und die Wanderprediger darauf angewiesen waren, dass man sie aufnimmt. Dass man sie bewirtet, dass man für ihr Auskommen sorgt. Der Apostel ergänzt diese Gastfreundlichkeit und Gastfreiheit mit dem Vers denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Und wer im Religionsunterricht aufgepasst hat oder sich noch daran erinnert, der weiß vielleicht die Stelle, auf die sich der Apostel bezieht, nämlich auf Abraham, als der mit seinen Tieren mit den Zelten unterwegs war, da kamen drei Gäste zu ihm. Abraham bewirtete sie mit dem, was er hatte. Und er hatte schon einiges, was er ihnen auftischen konnte: Brot, Butter, Milch, Kalbfleisch. Alles, was so ein Nomade eben dabeihat. Und sie kommen ins Gespräch. Und sie sprechen über dies, über das, auch über die Herkunft, aber auch über die Zukunft, über Träume, über Pläne, die man so hat. Und unter anderem verkünden dann diese Gäste, dass Abraham und seine Frau Sara mit einem Sohn gesegnet werden. Sara, die stand hinter dem Zelt und hörte das mit und in der Bibel heißt es sie war hoch betagt. Das heißt, sie hatten ja versucht, Kinder zu bekommen, aber es hat nicht geklappt. Sara lacht über diese Ankündigung. Wie sollte denn das auch geschehen? Aber, oh Wunder, es geschieht tatsächlich, was diese Fremden angekündigt haben. Abraham und Sara bekommen einen Sohn. Die Zukunft hat dort eine Wendung bekommen. Was ihnen angekündigt wurde: Gottes Segen ist mit euch.
Engel als Gäste. Vergesst nicht, Gastfreundschaft zu üben, gastfreundlich zu sein. Nun, die Engel spielen in der Bibel eine wichtige Rolle, immer wieder erscheinen sie. Und wenn Engel Menschen begegnen, dann begegnet auch die göttliche Welt der menschlichen Welt. Immer wieder kündigen sie das an. Maria erscheint der Engel Gabriel und verkündet: „Du wirst einen Sohn haben und du sollst ihn Jesus nennen.“ Den Hirten auf dem Felde erscheinen die Engel: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Frohe Botschaft wird ihnen verkündet von der Geburt des Heilandes, aber Engel sind es auch, die Jesus im Garten Gethsemane trösten. Oder die den Frauen am Grabe die frohe Botschaft verkündigen: „Er lebt! Er ist auferstanden!“ Immer wieder schickt Gott seine Boten in die Welt. Und das nicht nur damals, sondern auch heute. Dann werden wir ermahnt, vergesst die Gastfreundschaft nicht, macht Platz für die Engel Gottes! Lasst sie herein! Wir wissen nicht, wer es ist und wann das ist.
Ich kann das selbst erzählen, aus meinem Leben. Dass durch solche Begegnungen Freundschaften entstanden sind. Ich war noch in Jakobsdorf Pfarrer, am Abend klopft es plötzlich an der Tür, sind Leute mit einem Hilfstransport da, noch vor 1989. Wir haben sie eingeladen, aufgenommen und dadurch ist eine wunderbare Freundschaft entstanden. Und so ist das immer wieder geschehen, dass durch solche Begegnungen Freundschaften entstanden sind oder sich das Leben verändert hat. Gott begegnet uns im Fremden. Machen wir also Platz für Gottes Engel in unserem Leben, in unserer Gemeinde, in unserer Kirche. Öffnen wir unsere Kirchen. In Großau erzählt Maria Mărășescu, unsere Burghüterin, immer wieder, sie hat so interessante Begegnungen mit Touristen, die einfach vorbeikommen und unsere besonderen Kirchen und Kirchenburgen besichtigen wollen. Der Himmel kommt in unser irdisches Leben hinein. Reißen wir also unsere Kirchentüren auf, halten wir sie offen, auch unsere Gemeinden für die Gäste, für die Fremden, die hereinkommen. Das Herz wird weit, unser Leben wird dadurch verändert. Unsere Welt wird dadurch größer und weiter. Eine Welt, die Platz hat für Gottes Engel und Raum für seine Freundlichkeit, die in unsere Welt hereinscheint.
Amen.