"Der Mensch – Gottes Geschöpf auf Erden"


Bezirksdechant Dr. Dr. Wolfgang Wünsch, Pfarrer von Petersdorf bei Mühlbach

Ein ganz herzlicher Gruß für die Woche, die mit dem 15. Sonntag nach Trinitatis (20. September 2020) beginnt. Wir bringen heute die Predigtgedanken von Pfarrer Dr. Dr. Wolfgang Wünsch aus Petersdorf bei Mühlbach zu Ihnen. Wir tun das im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, von Jesus Christus und dem Heiligen Geist, unserm HERR. Amen.

Das Predigtwort steht aufgeschrieben: 1. Mose 2, 4-25:

1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. 2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. 3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. 4 Dies ist die Geschichte von Himmel und Erde, da sie geschaffen wurden. Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.
5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; 6 aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land. 7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. 8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. 10 Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme. 11 Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; 12 und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. 13 Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. 14 Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. 15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. 16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, 17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben. 18 Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. 19 Und Gott der HERR machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. 20 Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen wurde keine Hilfe gefunden, die ihm entsprach. 21 Da ließ Gott der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. 22 Und Gott der HERR baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. 23 Da sprach der Mensch: Die ist nun Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist. 24 Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. 25 Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.

Soweit das Wort der Heiligen Schrift. Der HERR segne dieses Wort an Euren Herzen und Seelen!

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Gemeinde!

In aller Kürze einige Gedanken zum eben vernommenen Predigtwort für den 15. Sonntag nach Trinitatis, der auch als zweiter Schöpfungsbericht bezeichnet wird, aber keineswegs als zweitrangig betrachtet werden kann. Im Gegenteil: es ist faszinierend, wie der erste Schöpfungsbericht, den wir im ersten Kapitel der Bibel finden, mit diesem zweiten zusammenpasst und diesen ergänzt. Unmöglich aber können wir heute auf alle darin enthaltenen Aspekte eingehen. Angesichts des unerschöpflichen Reichtums der Heiligen Schrift erweist sich wieder einmal als wahr, was als letzte Worte Luthers auf dem Totenbett überliefert worden ist: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“

So sind wir angewiesen auf Gottes Beistand und das Wohlwollen der Gemeinde bei der Auslegung dieses Wortes, das immerhin sehr gewaltig einsetzt. Wir müssen uns einmal überlegen, was das bedeutet, dass dieser Bericht über die Schöpfung mit dem Hinweis beginnt: „So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.“ 

Schon am Anfang der Schöpfung ist also die Vollendung vor Augen. Tatsächlich haben wir es hier mit einem großen Geheimnis zu tun. Gott spricht und es ist alles da: der Kosmos, Himmel, Erde und Mensch, die Geschichte und ihre Vollendung. Und dann wird erzählt, was das bedeutet.  

Ein besonderes Augenmerk fällt dabei auf die Erschaffung des Menschen, was auch dadurch betont wird, dass zum einen ausdrücklich die Zeit vor der Erschaffung des Menschen von der nachfolgenden Zeit abgehoben wird, und zum anderen wird eigens darauf hingewiesen, dass es Aufgabe und Bestimmung des Menschen sei, das Land zu bebauen.  

Noch wichtiger aber ist, was hier nun direkt zur Erschaffung des Menschen gesagt wird. Denn faktisch stimmt unser Bericht in der entscheidenden Aussage exakt mit dem ersten Schöpfungsbericht überein: Wenn wir das so sagen dürfen, dann ist der Mensch nämlich nichts weniger als Gottes ureigenstes Projekt.

Im ersten Schöpfungsbericht ist das unterstrichen durch den göttlichen Ratschluss: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei… .“

Dann die Ausführung mit den Worten: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau… .“

Es ist hier nicht möglich, auf alle Aspekte einzugehen, die in diesen Sätzen enthalten sind. Aber es ist eindeutig, dass hier gesagt sein soll, dass der Mensch Gottes ureigenster Überlegung entstammt, dass er zum Bilde Gottes geschaffen wurde, und zwar als Mann und Frau.

Etwa über die Gottesebenbildlichkeit des Menschen wäre nun sehr, sehr viel zu sagen.

Das können wir jetzt nicht leisten.

Von unserem heutigen Predigtwort aber kann es nur darum gehen, dass Gott den Menschen geschaffen hat, wenn es heisst: „Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“

Das bedeutet zunächst einmal, dass der Mensch, dass wir unser Dasein, unsere Existenz, unser ganzes Leben  eben Gott, dem HERRN des Lebens, verdanken. Das ist ohne Zweifel Grund zur Dankbarkeit.

Aber es ist auch Grund, noch einmal innezuhalten.

Denn im Unterschied zu den anderen Schöpfungsakten Gottes, wo es heißt: Gott machte, Gott sprach und es ward, Gott ließ hervorgehen usw., steht hier an erster Stelle eine Überlegung: „Lasset uns Menschen machen“ und dann folgt die Ausführung. Und unser Bericht betont dann in gleicher Weise, dass Gott den Menschen machte.

Bei aller Einordnung und Einfügung in den Naturzusammenhang wollen beide Schöpfungsberichte ganz offensichtlich eine Besonderheit des Menschen, etwas spezifisch menschliches zum Ausdruck bringen.

Diese Besonderheit hat ihren Ausgangspunkt darin, dass der Mensch als Geschöpf Gottes offensichtlich aus göttlichem Ratschluss, aus göttlicher Überlegung, aus einem göttlichen Gedanken hervorgegangen ist, der dem eigentlichen Schöpfungsakt vorgeordnet war.

Diesem Sachverhalt entspricht auf menschlicher Seite die Freiheit.

Tatsächlich entfaltet unser heutiges Predigtwort genau dieses Thema am Beispiel des Verbots, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen. Es verdient ganze Aufmerksamkeit,  mit welcher Akribie dabei die verschiedenen Aspekte dieses Themas zum Zuge kommen.

Es wäre notwendig, darüber sehr intensiv zu sprechen. - Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.