„Der perfekte Pfarrer ist eine Pfarrerin!“


Beáta Boldizsár: „Der perfekte Pfarrer ist eine Pfarrerin!“ (Bild: zVg)

„Der perfekte Pfarrer predigt genau zwölf Minuten, er verurteilt die Sünde, tut dabei niemandem weh. Er hat stets Zeit, für alle seine Gemeindeglieder. Für sich selbst und seine Familie braucht er keine.
 Er kümmert sich um die Jugend und verbringt die meiste Zeit mit älteren Menschen. Der perfekte Pfarrer verdient wenig, ist damit vollends zufrieden, davon kann er sich gut anziehen, Bücher kaufen und den Zehnten geben. Er ist 29 Jahre alt und hat eine vierzigjährige Erfahrung. Vor allem sieht er gut aus.
 Er lächelt stets mit ernstem Gesicht. Er macht täglich sieben Hausbesuche und ist immer in seinem Büro erreichbar, wenn man ihn braucht.
Der perfekte Pfarrer hat immer gute Ideen für alle Gelegenheiten. Er weiß alles, er kennt alle, er macht alles, auch den Hausmeister, er wird dabei niemals müde und hört niemals auf.
 Es gibt nur ein Problem:
 Der perfekte Pfarrer wohnt immer in der Nachbargemeinde.“

Dieser kleine humorvolle Text über die Herausforderungen der pastoralen Arbeit hat in allen Sprachen das Internet erobert. Aber selbst aus Spaß steht in keiner Version: „Es gibt nur ein Problem: Der perfekte Pfarrer ist eine Pfarrerin!“

Vielleicht deshalb, weil angesichts des kontinuierlichen Rückgangs der Mitgliederzahlen die wirklich wichtige Frage ist, ob der Pfarrer oder die Pfarrerin ein glaubwürdiger Christ ist und ob er oder sie das richtige Gleichgewicht zwischen den Rollen als Theologe, Seelsorger, Pädagoge, Kommunikationsexperte, Manager, Buchhalter und Leiter findet. Was die Ausbildung von Pfarrern betrifft, so ist die wichtige Frage, ob es überhaupt tiefgläubige junge Christen gibt, die den Weg Jesu gehen wollen und dabei andere und ganze Gemeinschaften inspirieren und unterstützen. Wenn sich jemand für diesen schwierigen Lebensweg entscheidet, glaube ich, dass die Engel im Himmel feiern, und das sollten auch wir tun...

Zum 30. Ordinationsjubiläum der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien wünsche ich Ihnen Gottes Segen und viel Weisheit! Bei Meilensteinen muss man immer Rechenschaft über das bisher Erreichte ablegen und entscheiden, wie es weitergehen soll. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass, falls die letzten 30 Jahre von einem Kampf um Akzeptanz geprägt waren, die nächsten 30 Jahre von einem ganz anderen Kampf handeln werden. Nämlich davon, dass die Pfarrerinnen ihre eigene Stimme finden! Seien Sie ehrlich und machen Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer Stärken und Schwächen. In Ermangelung eines Vorbildes sollten Sie vor allem für sich selbst formulieren, worin sich eine gute weibliche Führungskraft unterscheidet. Dazu sind tiefgehende Selbstkenntnis sowie viel Mut und Ehrlichkeit in der Selbstreflexion erforderlich.

Eines ist sicher: Jede Pfarrerin und jeder Pfarrer braucht ein unterstützendes, vertrauensvolles Netzwerk. Ohne dieses kämpft man allein gegen Windmühlen. Lassen Sie uns für einander einstehen und starke unterstützende Gemeinschaften von Frauen (und Männern) aufbauen! Möge der Heilige Geist dazu viel Weisheit und Segen schenken!

Beáta Boldizsár hat 2009 ihr Theologiestudium am Protestantischen Theologischen Institut in Klausenburg abgeschlossen. Sie wurde 2019 zur Pfarrerin der ungarischsprachigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ordiniert. Derzeit ist sie Bischofsekretärin und Herausgeberin der evangelischen Kirchenzeitschrift 'Evangélikus Harangszó'. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Klausenburg.