Die ganze Menschheit
Frank Schürer-Behrmann, warum findest Du als Superintendent der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) – unserer Partnerkirche - es wichtig, dass Frauen Zugang haben zum ordinierten Amt?
Ich finde Gottesdienste am schönsten, wenn in ihnen mehrere Menschen mitwirken. Für mich ist „Gott“ so groß, geheimnisvoll und wunderbar, dass ich es eigentlich als menschliche Anmaßung empfinde, wenn ein Mensch alleine die göttliche Gegenwart vermitteln will. Es ist doch offensichtlich, dass weitere Menschen weitere Erfahrungen mit dem göttlichen Wirken haben. Ich möchte auch sie hören und bedenken, und mich zu größerem Staunen und Gotteslob bewegen lassen! Und natürlich ist es gut, wenn die Menschen, die im Gottesdienst mitwirken, so unterschiedlich wie möglich sind, weil sie dann besser die unendliche Vielfalt und den Reichtum des göttlichen Wirkens spiegeln können!
Besonders freue ich mich deswegen auch, wenn die Feier des Abendmahls nicht von nur einer Person geleitet wird. Als ob diese Person darüber verfügen würde und uns Kraft ihrer persönlichen Gottesnähe, Macht oder Freundlichkeit an der Gegenwart Jesu Christi im Heiligen Geist teilhaben lassen könnte! Sondern wenn da zwei Menschen stehen, eine Frau und ein Mann, und gemeinsam singen, an Jesus erinnern, um seine Gegenwart bitten und in seinem Namen Brot und Wein teilen. Das Abendmahl wirkt nicht mehr wie ein archaisches autoritäres Geschehen, sondern kommunikativ, gemeinschaftlich und lebendiger. Und in den beiden Feiernden antwortet symbolisch die ganze Menschheit auf Gottes Geschenk – denn nicht ein Mensch wurde zum göttlichen Ebenbild geschaffen, sondern zwei. Nicht jeder und jeder für sich, sondern nur gemeinsam sind sie das Ebenbild Gottes. Wenn demgegenüber die Feier des Abendmahls immer nur von einem männlichen Pfarrer geleitet wird, wird sie dem göttlichen Schöpfungswunder nicht gerecht. Und genau so gilt das natürlich für die Auslegung von Jesus‘ Guter Nachricht in Predigten – wie könnte sie nicht ärmer sein, wenn da immer nur männliche Stimmen sprechen?
Die Ordination von Frauen als Pfarrerinnen wird manchmal als Zugeständnis an einen Zeitgeist dargestellt. Ich denke, sie ist im Gegenteil ein großes Geschenk und liegt theologisch notwendig in unserem Schöpfungsglauben gegründet. Ich bin dankbar, in einer Zeit zu leben und Teil einer Kirche zu sein, in der sie inzwischen meistens selbstverständlich ist – und mit einer Pfarrerin verheiratet zu sein, von der ich immer wieder viel lernen kann! Nur Männer zu ordinieren ist im Gegenteil nicht mehr begründbar.
Trotzdem hat es so viele Jahrhunderte gedauert, bis es dazu kam. Angst und Unsicherheit im Umgang der Geschlechter führten zu starren Geschlechterrollen, die Sicherheit bieten sollten, meistens zu Lasten der Frauen, aber auch zulasten der Menschlichkeit und des Glücks der Männer.
Ich bewundere den Glauben, den Mut und die Beharrlichkeit der Frauen, die sich auf den Weg machten, um diese Grenzen zu überwinden, trotz allem Widerstand, dem sie begegneten. Und genauso auch den Mut und die Menschlichkeit der Männer, die sie unterstützten und sich an ihre Seite stellten, als auch sie, die sich dafür gegen eine damalige Mehrheit stellen mussten, wie Kurt Scharf, der gegen den Willen von Mitpfarrern in der Bekennenden Kirche bereits in den 1940er Jahren Vikarinnen ordinierte.
In meiner Berlin-Brandenburger Kirche wurde die Ordination von Frauen vor fünfzig Jahren im Jahr 1974 dann ohne Einschränkungen möglich, in der Evangelischen Kirche in Rumänien unter schwierigeren Umständen zwanzig Jahre später, vor wenigen Jahren nun auch in unserer polnischen evangelischen Schwesterkirche. Es ist wichtig und eine Glaubensstärkung und -vertiefung, sich daran zu erinnern: An die Ausgrenzung von wichtigen Aufgaben, die Frauen vorher über viele Jahrhunderte erleben mussten, oft unbewusst, aber oft auch persönlich und mit Leidenserfahrungen. An den Mut, endlich diesen Schritt zu gehen. An die Bereicherung, die wir alle dadurch erfahren haben. Und daraus auch die Kraft zu beziehen, den Weg zur vollen gleichberechtigten Gemeinschaft weiter zu gehen. Herzlicher Glückwunsch an die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, und Danke an Pfn. Elfriede Dörr und alle, die dieses Erinnern gestalten.
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Frank Schürer-Behrmann ist seit 2014 Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Oderland-Spree östlich von Berlin an der polnischen Grenze, des größten ländlichen Kirchenkreises der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), und stellvertretender Generalsuperintendent des Sprengels Görlitz. Er ist Mitglied der EKD-Synode und war Mitglied des Zentralausschusses der Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf. In Frankfurt (Oder), der größten Kirchengemeinde senies Kirchenkreises, sind seit vielen Jahren alle vier Pfarrstellen mit Frauen besetzt. Er wurde 1994 gemeinsam mit seiner Frau in Potsdam ordiniert.