Die Neunte Vollversammlung der GEKE


GEKE-Vollversammlung in Hermannstadt (Bild: G. Servatius-Depner)

Die GEKE, das ist die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, ruft jedes sechste Jahr zu ihrer Vollversammlung zusammen. 2018 hat diese in Basel stattgefunden, sechs Jahre davor (2012) in Florenz. Unter dem Motto „Im Licht Christi – berufen zur Hoffnung“ hat die nunmehr 9. Vollversammlung in Hermannstadt stattgefunden.

Über 100 Delegierte aus über 70 Mitgliedskirchen, darunter Vertreter und Vertreterinnen der vier Gastgeberkirchen (evangelisch A.B., evangelisch-lutherisch, methodistisch und unitarisch) kamen vom 27. August bis 2. September 2024 in Hermannstadt zusammen. Davor waren schon ab 22. August 27 Stewards aus mehreren europäischen Ländern und GEKE-Mitarbeiter aus Wien angereist.

Neue, alte und schwankende Mitgliedskirchen

In den Tagen der Vollversammlung wurde gemeinsam viel gesungen und gebetet. Jeden Morgen hatte in der reformierten Kirche in Hermannstadt die Morgenandacht als Tagesstart stattgefunden, jedes Mal unter dem entsprechenden Tagesmotto: „Licht“, „Christus“, „Hoffnung“ und „Berufung“. Dankbar waren alle für die Möglichkeit in der reformierten Kirche zu beten, wurde doch die Nichtteilnahme aller ungarisch-reformierten Kirchen kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Auch der Austritt der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands aus der GEKE wurde gleich zu Beginn der Versammlung, vor der Begrüßung neuer Mitgliedskirchen, mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Umso mehr war man äußerst dankbar für die Gastfreundschaft in der reformierten Gemeinde in Hermannstadt und am Sonntag auch in Bürkös (rum.: Bârghiş; dt.: Bürgisch), im Gottesdienst. Diese hatten ihre Einladung – zusammen mit weiteren evangelischen, lutherischen, unitarischen und methodistischen Kirchengemeinden aufrechterhalten.

Begrüßt wurden im Eröffnungsgottesdienst in der wunderschön restaurierten evangelischen Stadtpfarrkirche, die als Tagungsort äußerst modern und praktisch ausgestaltet wurde, vier neue Mitgliedskirchen, die in den letzten Jahren in die Gemeinschaft aufgenommen wurden: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem südlichen Kaukasus, die Evangelisch-Lutherische Kirche Islands, die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland und die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine. Diese Kirche wurde mit großem Beifall begrüßt, als Zeichen der Solidarität mit dem durch den andauernden Krieg geplagten Land.

Nicht „eine Kirche“, sondern „gemeinsam Kirche sein“

Während der Vollversammlung wurde nicht nur gesungen und gebetet, sondern nachgefragt, aufgeschrieben, interviewt, diskutiert, kommentiert und immer respektvoll debattiert. Es ist längst klar, dass wir nicht „one church“, sondern „church together“ sind. Christus verbindet uns untereinander und der Glaube an ihn, als Heiland der Welt. Wie in einer Familie nicht alle eins sind, aber gemeinsam lieben, leiden und leben, so sehen wir dieses auch in der Gemeinschaft verschiedener Kirchen. Befreiend ist das Gefühl, dass nichts aufgezwungen ist. Auch keines der Studiendokumente, die 2018 in Basel in Auftrag gegeben wurden, war aufgezwungen. Die zahlreichen Gäste der Vollversammlung betonten alle gemeinsam, an verschiedenen Tagen in ihren Botschaften, dass es – nicht nur heute – notwendig sei, gemeinsames Zeugnis abzulegen von einem gemeinsamen Dienst und vor allem vom Dialog für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung in einer Welt, die von Krisen gekennzeichnet ist. Wie in Berichten zu lesen ist, äußerten die Gäste auch den Wunsch nach einer Vertiefung der Gemeinschaft in der ökumenischen Bewegung.

Das Präsidium des Rates der GEKE, den drei der Ratsmitglieder bilden - der geschäftsführende Präsident Dr. John Bradbury, Prof. Dr. Miriam Rose und Pfr. Marcin Brzoska - hob während der Vollversammlung hervor, dass die GEKE als eine lebendige Gemeinschaft gewachsen und eine Plattform des Austauschs für die Kirchen geworden sei. Man könne nicht genug wiederholen, dass die GEKE eine lebendige Gemeinschaft in zerrissenen Zeiten ist, die vom Gottesdienst, ihrem Zeugnis und ihrem Dienst auf Grundlage der Leuenberger Konkordie getragen wird. Es wurde die neue Strategie „Gemeinsam Kirche sein im Licht der Hoffnung“ präsentiert, deren Leitfrage nach der Zukunft fragt und zugleich in die Zukunft weist: „Wie werden wir als Kirchengemeinschaft mehr zu dem, was wir sind?“ Weitere strategische Schwerpunkte der GEKE sind: die Beachtung von ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit, die praxisbezogene und kreative Rezeption der Ergebnisse der Arbeit der GEKE sowie die Flexibilität, auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.

Das Hauptreferat wurde von Dr. Christine Schliesser, Privatdozentin für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Zürich gehalten. Es trug den Titel „Gimme Hope! Auf dem Weg zu einer neuen Theologie der Hoffnung“. Darin unterstrich sie die Bedeutung der Hoffnung im christlichen Glauben. Echte Hoffnung bedeutet eine Brücke zwischen der Zukunft und der Vergangenheit sowie der Gegenwart. Eine äußerst spannende Podiumsdiskussion fand mit Delegierten aus Nordirland, Kroatien, der Ukraine und aus Russland, dazu Dr. Schliesser, statt. Es wurden dabei persönliche Erfahrungen und Reflexionen ausgetauscht, zur Rolle von Kirche in Zeiten von Krieg und gewaltsamen Konflikten. Alle Teilnehmer betonten, dass es angesichts der aktuellen Herausforderungen sehr wichtig sei, die christliche Hoffnung zu leben!

Blicke in die Vergangenheit, Gegenwart und in die Zukunft

Dokumente der GEKE und weitere Projekte der letzten sechsjährigen Legislatur wurden in sieben Arbeitsgruppen und sieben Fokusgruppen diskutiert. Dazu waren auch fünf Zukunftswerkstätten am Werk, die Beschlussvorschläge für die Arbeit der nächsten Jahre erarbeitet haben. Im Rahmen der Vollversammlung wählten die Delegierten den neuen Rat für die Zeitspanne 2024-2030. Im festlichen Abendmahlsgottesdienst wurde der alte Rat verabschiedet und der neu gewählte eingeführt. Als Proxy (Stellvertreter) scheidet Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli nach mehreren Mandaten – auch als ehemaliges Ratsmitglied – nun aus. Neugewählt, als Proxy des Bischofs Dr. Marko Tiitus (Estland), wurde Pfarrer Gerhard Servatius-Depner.

Die Vollversammlung diskutierte und verabschiedete Stellungnahmen zu „Demokratie als Herausforderung für Kirche und Gesellschaft“, „Migration aus der Sicht der Herkunftsländer“, „Interreligiöse Beziehungen im europäischen Raum im Kontext der gewaltsamen Konflikte im Nahen Osten“ und „Stellungnahme zur kirchlichen und sprachlichen Minderheitenexistenz“. Zu den Beschlüssen der Arbeitsergebnisse (2018-2024) wurden folgende Dokumente behandelt:

1. Christliches Reden von Gott. Die Vollversammlung hat das Dokument angenommen, das ein wegweisender Beitrag zur Verständigung über das gegenwärtige Reden von Gott in der GEKE darstellt. Die Vollversammlung empfiehlt den Mitgliedskirchen das Dokument zu studieren und zu berücksichtigen.

2. Praxis und Theologie des Abendmahls. Die Vollversammlung hat das Dokument als vorläufiges Ergebnis der Arbeit entgegengenommen und betrachtet es als einen hilfreichen Beitrag zur Verständigung über die Praxis und Theologie des Abendmahls in den GEKE-Kirchen. Dabei ist die Praxis des Abendmahls insbesondere im Hinblick auf Inklusion, Interkulturalität, Sprache und Barrierefreiheit zu beleuchten und weiterzuentwickeln.

3. Kirche und Demokratie. Ein besonderer Dank gebührt der Regionalgruppe Südosteuropa für die Arbeit an dem Impulspapier „Kirche und Demokratie“. Die Vollversammlung hat das Dokument als vorläufiges Ergebnis der Arbeit entgegengenommen und betrachtet es als einen hilfreichen Beitrag zum Verständnis der Voraussetzungen, Standpunkte, Sorgen und Handlungsgrundsätze evangelischer Kirchen. Die Vollversammlung beauftragt weiter den Rat, aus den vorhandenen Materialien eine Arbeitshilfe für die Weiterarbeit in den Mitgliedskirchen herauszugeben.

4. Gender, Sexualität, Ehe, Familie. Die Vollversammlung hat zur Kenntnis genommen, dass der Rat der GEKE das Studiendokument „Gender, Sexualität, Ehe, Familie“ entgegengenommen hat. Der Rat hat entschieden, das Dokument mit einem Vorwort des Präsidiums zu veröffentlichen. Die Vollversammlung ruft die Mitgliedskirchen auf, Bewusstsein für sexualisierte Gewalt zu schaffen und Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Nicht zuletzt beauftragt die Vollversammlung den Rat, einen Arbeitsprozess aufzusetzen, in dem unter den evangelischen Kirchen in Europa Erfahrungen mit Schutzmaßnahmen ausgetauscht, dieselben ausgewertet und gute Praktiken gefördert werden sollen.

Bei der Vollversammlung wurden Beschlüsse zu den verschiedenen Arbeitsfeldern der GEKE für 2024-2030 gefasst. Detaillierte Informationen sind im Bericht des Präsidenten zu finden: https://cpce-assembly.eu/wp-content/uploads/2024/09/Pub-Final-Report-of-the-9th-General-Assembly-of-the-CPCE-EN-Rep-released.pdf

Die Gastgeber

Für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) war die Vollversammlung eine Herausforderung, der sie sich mit Bravour gestellt hat. Nicht nur die Hermannstädter Kirchengemeinde, die die Stadtpfarrkirche zur Verfügung gestellt hat, sondern auch das Schülerheim, die Kanzlei des Landeskonsistoriums und dessen Kantine, dazu das Bezirkskonsistorium Hermannstadt und das „Samuel-von-Brukenthal“ Gymnasium haben zu jeder Zeit die Vollversammlung begleitet und – wo es notwendig war – helfend eingegriffen. Dieser Einsatz ist von allen Teilnehmenden gesehen und gewürdigt worden. Eine so kleine Kirche wie die EKR konnte somit nicht nur eine sehr herzliche und zugleich professionelle Gastgeberin sein, sondern auch Gesprächspartnerin auf Augenhöhe. Sie konnte nicht zuletzt ihre Erfahrung als Kirche in einer Diasporasituation teilen und Mut machen in Zeiten der Schrumpfung oder Umstrukturierung.

Auch für das Zentrum Evangelische Theologie Ost (ZETO) war die 9. Vollversammlung nach harter monatelanger Arbeit gemeinsam mit unterschiedlichen Strukturen der GEKE sowohl ein Riesenereignis als auch ein großer Erfolg. Das regionale Knowhow von ZETO wurde in Vorbereitung und während der Vollversammlung immer wieder abgerufen. In diesem Sinne war es besonders spannend, dass eines der Arbeitsfelder für die Zukunft folgendes vorsieht: „Möglichkeiten zur Kommunikation mit der orthodoxen Kirche, bevorzugt mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel zu suchen, insbesondere zu sozialethischen Fragen und zu erwägen, dies durch das Zentrum Evangelische Theologie Ost (ZETO) zu tun“.

Ein neues Präsidium wird nun die Arbeit der GEKE in den nächsten sechs Jahren bestimmen. Als geschäftsführende Präsidentin wird die Schweizer Kirchenpräsidentin Rita Famos wirken. Ihr zur Seite gestellt ist der reformierte Theologe Professor Dr. Georg Plasger. Als dritter ergänzt Bischof Marko Tiitus aus Estland das Präsidium. Er ist auch derjenige, die Stimme Osteuropas in das Geschehen einbringen wird. Nicht unerheblich ist für die Region, dass Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, Direktor des Zentrums Evangelische Theologie Ost (ZETO), als Proxy gewählt wurde und also die Arbeit der GEKE weiterhin mit der EKR verknüpfen kann.

Pfr. Gerhard Servatius-Depner