Die ultimative sächsische Herausforderung: Hanklich „to go“
Das digitale Feiern ist am Reformationstag, dem 31.Oktober.2020 in Michelsberg an seine Grenzen gestoßen. Zwar konnten die 30 präsentischen Gottesdienstbesucher und -besucherinnen sich zusammen mit den 80 per ZOOM Zugeschalteten als eine Gemeinde fühlen, aber spätestens als am Ende der Veranstaltung Hanklich verteilt wurde, war es mit der Gleichberechtigung zu Ende.
Aber auch schon Hanklich war ein Traditionsbruch, da üblicherweise nach dem sächsischen Gottesdienst symbolisch „evangelischer Speck“ aufgetischt wird. Diese Bewirtung war aber pandemiebedingt nicht möglich, so erhielt jeder präsentisch Anwesende vor der Kirchentüre eine sorgfältig verpackte Portion Hanklich „to go“ - gebacken auf der Michelsberger Post.
Dabei waren die Organisatoren – die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien (EKR) und der Verband der Heimatortsgemeinschaften - sehr um Gleichberechtigung der präsentischen und der digitalen Gemeinde bemüht. Durch das Team der EKR Techniker wurden die Bedingungen für eine wechselseitige Übertragung hergestellt. Die in der Kirche Anwesenden konnten auf der Leinwand verfolgen, was digital geschah, die im Netz Angeschlossenen im Gegenzug auf dem Bildschirm, was in der Kirche geschah. Auch die Beiträge waren abwechselnd. In der Kirche begrüßte Kurator Michael Henning die Anwesenden, digital sprachen Bischof Reinhart Guib und Vorsitzende Ilse Welther Botschaften. Die Predigt hielt in der Kirche Pfarrer Michael Reger aus Kerz. Er motivierte die Hörer, sich tagtäglich auf die gute Allmacht Gottes zu verlassen, der auch die „Mäschen“ nicht zu Boden fallen lässt. Den thematischen Kurzvortrag zu Reformation hielt Archivar Thomas Sindilariu digital aus Kronstadt. Er stellt unter anderem die steile These in den Raum, ob die Flucht von Johannes Honterus aus Kronstadt – und damit aber auch die weitere Entwicklung der Reformation – nicht einer Pandemie zu verdanken sei? Die Kirchenmusik war ebenfalls paritätisch aufgeteilt: An der Michelsberger Orgel, welche aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt, spielte Zsuzsana Molnar und über den Bildschirm wurde die Mediascher Singgruppe unter Leitung von Edith Toth zugeschaltet. Singen konnten beide Gemeinden auch ohne Gesangbuch, da die Liedstrophen jeweils eingeblendet wurden.
Alles in allem war es ein lebendiger Gottesdienst, welcher seine Lebendigkeit nicht zuletzt auch durch kleine Pannen deutlich werden ließ. Insofern war er „echt“. Ob sich so ein logistischer Aufwand aber lohnt? Die Antwort geben nicht die Zahlen. Die auf Facebook Zuschauenden kann man sowieso nicht zählen. Die Antwort geben die kleinen individuellen Geschichten rund um den Gottesdienst. Die Geschichte von dem Sohn aus Deutschland, der seiner alten Mutter per Telefon die sächsische Predigt nach Siebenbürgen „zurück“ übertrug. Die Geschichte der Teilnehmerin aus den Niederlanden, die sich so seit Langem einen Heimatgottesdienst gewünscht hat und in ihrer neuen Heimat keinen hatte. Und das sind nur die Geschichten, die irgendwie hörbar geworden sind. Die anderen, die nicht erzählten, muss sich jeder dazu denken. Ja, insofern lohnt es sich, denn es geht immer um den einzelnen Menschen. Evangelische Verkündigung kann man an allen Orten hören, die Verbindung zu seinen Lieben kann man auch individuell halten, aber sich als Teil der gewachsene Gemeinschaft zu erleben, dieses ist durch nichts zu ersetzen. Die Pandemie hat uns angestoßen, neue Wege zu suchen, wie das denn grenzüberschreitend geht.
Die präsentischen Besucher und Besucherinnen haben den Vorteil der Hanklich – wenn auch nur „to go“ - gehabt, die digitalen Besucher dafür aber den Vorteil der heimischen Wärme, die in der Dorfkirche vermisst wurde. Insofern steht es auch im Vergleich 1:1.
Gerne lädt die EKR und der Verband der HOGs zu dem nächsten der grenzübergreifenden Gottesdienst, am 4. Advent (20. Dezember) aus und in der Margarethenkirche Mediasch ein. Wir sind gespannt!
Dr. Stefan Cosoroabă