Die vorbildlichen Großmütter


Lois - gemalt von Rembrandt Harmensz. van Rijn. Bild: CC BY-SA 4, wikipedia.org/wiki/Lois

In ihrer Frühjahrsklausurtagung haben Pfarrer ihre Andachten zu Frauen in der Bibel gehalten. Biblische Frauenfiguren sind Vorbilder des Glaubens, und das nicht nur für Frauen.  Pfarrer Hans-Georg Junesch nahm das zum Anlass über Lois nachzudenken (2 Timotheus 1, 5).

Wenn wir die beiden Jubiläen zusammenlegen, die wir zur Zeit in unserer Kirche feiern, nämlich 50 Jahre Weltgebetstag und 30 Jahre Frauenordination, dann haben wir zwei Generationen von Frauen vor Augen, die unsere Kirche nachhaltig geprägt haben. Gestern wurden einige dieser Frauen vorgestellt, die für unsere Kirche „Mütter im Glauben“ geworden sind; oder auch Großmütter. Maria Elisa Klein, Helga Pitters, Gertrud Rehner, Marlene Klein, Christl Schullerus. Es sind Vorbilder, die viele Christenleben im Wachsen und Werden begleitet haben.

Wer ist das für mich? Wenn ich an die Gemeinde Hermannstadt denke, so fällt mir sofort sie ein: Dorothea Binder, unsere Dorli. Jahrzehntelang hat sie die Arbeit mit Kindern in unserer Gemeinde geprägt und eigentlich getragen; auch heute ist sie noch manchmal dabei. Und auch in der eigenen Familie ist es mit der Weitergabe des Glaubens gut geworden, ihre Töchter geben ihrerseits den Glauben weiter, sei es in der Gemeinde oder in der Familie.

Ich denke auch an Lois, die Großmutter des Timotheus. Sie ist in ihrer Rolle als Großmutter zum Glaubensvorbild geworden. Und sie ist die einzige Großmutter überhaupt, die als solche in der Bibel auch namentlich genannt wird.

„Denn ich erinnere mich an den ungeheuchelten Glauben in dir, der zuvor schon gewohnt hat in deiner Großmutter Lois und in deiner Mutter Eunike; ich bin aber gewiss, auch in dir“, schreibt Paulus im Zweiten Timotheusbrief Kapitel 1 Vers 5.

Paulus „erkannte die lebensverändernden Beiträge dieser beiden Frauen in einer Zeit an, in der Frauen nur selten namentlich erwähnt wurden.“1 Ihr ehrlicher Glaube ist für den Weg des Timotheus ausschlaggebend geworden. Lois hat zuerst wohl ihre Tochter Eunike im christlichen Glauben geprägt und ist dann anscheinend auch in der Erziehung des Timotheus aktiv impliziert. Das hebt Margot Käßmann in einem Artikel zu diesem Thema hevor. Sie betont den entwicklungspsychologischen Aspekt dieser glaubensprägenden Frau in ihrer Familie und in der Generationenabfolge für ihre (ur)christliche Gemeinde.

„Großmütter spielen seit den Zeiten der Lois in der Weitergabe des Glaubens bis heute eine große Rolle. Warum ist das wohl so? In Erinnerung an meine eigene Großmutter denke ich, es liegt zum einen daran, dass Großmütter mehr Zeit für Kinder haben als Mütter. Wahrscheinlich stehen Großmütter aber auch fester und überzeugter im Glauben, weil sie mehr Lebenserfahrung haben.

Sie können davon erzählen, wie sich ihr Glaube bewährt hat in den guten und gerade auch in den schlechten Zeiten des Lebens. Zudem sind Großmütter meist nachsichtiger als Mütter. Manches Enkelkind konnte der Großmutter anvertrauen, was es vor der Mutter geheim hielt. Spätestens seit sie Enkel haben, werden Großmütter zudem über die eigene Endlichkeit bewusst nachdenken. Gerade wer das eigene Sterben in das Nachdenken über das Leben integriert, wird klar über den Glauben sprechen. Wer die „letzten Dinge“ vor Augen hat, gewinnt auch eine größere innere Freiheit gegenüber den vorletzten.“ 2

Andererseits spielt in der familiären Situation der Lois und der Eunike auch der soziale Aspekt eine wichtige Rolle bei der Weitergabe des Glaubens an Jesus Christus. Denn Mutter und Großmutter des Timotheus sind wohl jüdischer Herkunft gewesen, der Vater hingegen ein heidnischer Grieche, was die Tatsache belegt, dass sein Sohn als Kind nicht beschnitten worden ist (siehe Apostelgeschichte 16,1-3). Eine religiöse Mischfamilie also, in der Timotheus aufwächst. Entscheidend geprägt jedoch vom christlichen Glauben, wofür der „ungeheuchelte Glaube“ seiner Großmutter und Mutter vorbildhaft ist.

Diesen „ungeheuchelten Glauben“ betont Paulus auch an einer anderen Stelle, wo er ihn als eine wichtige Größe in dem Verkündigungsgeschehen ansieht (1. Timotheus 1, 5): „Das Ziel der Unterweisung aber ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben.“

Für mich stellt diese Aussage des Apostels eine Herausforderung dar. Wie lebe ich die Liebe Gottes in meiner Familie? Wir haben selbst unsere Eltern und Großeltern in ihrem Glauben erlebt. Wie haben sie mich geprägt? Wir sind sodann selbst zu Eltern oder sogar schon Großeltern geworden, die für ihre Kinder oder Enkelkinder ein Vorbild darstellen, eben auch, was den Glauben betrifft. Das soll uns jeden Tag bewusst sein. Wie lebe ich also meinen Glauben im Angesicht meiner Familie?

Anhand solcher biblischer Gestalten erkennen wir, wie wichtig die Weitergabe des Glaubens in der eigenen Familie auch für die Gemeinde, die ganze Kirche ist. Nicht nur, um einer Tradition zu folgen (vergleich dazu 1. Tim 1,4), die oft in sich selbst genügsam ist, sondern um das Reich Gottes aufzubauen. Lois und Eunike sind uns hierin zu bemerkenswerten Vorbildern geworden. Sie „sollten alle christlichen Mütter und Großmütter ermutigen und sie daran erinnern, dass ihr gottgefälliger Einfluss im Leben ihrer Kinder und Enkelkinder eine Auswirkung für die Ewigkeit hat.“ 3

1 www.gotquestions.org/Lois-and-Eunice.html

2 www.herder.de/religion-spiritualitaet/bibel/personen/lois/

3 www.gotquestions.org/Lois-and-Eunice.html

Hans-Georg Junesch ist Pfarrer im Gemeindeverband Hermannstadt, Hammersdorf, Schellenberg und unterrichtet Religion unter anderem am Brukenthal Gymnasium in Hermannstadt.