Ein entschiedener Schritt ist manchmal entscheidend


Dr. Ulrike Bechmann, katholische Theologin und Islamwissenschaftlerin (Bild: zVg)

Ulrike Bechmann, wir feiern in diesem Jahr 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Warum findest Du als Theologin und Professorin es wichtig, dass ein solches Jubiläum gefeiert und an die Geschichte von Frauen erinnert wird?

30 Jahre Ordination von Frauen! Man kann der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien nur dazu gratulieren. Oft braucht es nur einen entschiedenen Schritt und vieles kann sich verändern.

Dabei geht es nicht um das Amt für Frauen allein. Viel tieferliegend geht es um das Bewusstsein und die Sichtbarkeit davon, dass die Kirche(n) nie ohne das Engagement von Frauen und ihre wesentlichen Beiträge ausgekommen sind. Die Frage ist nur: Werden diese erinnert? Wie bleiben sie im Gedächtnis und prägen so die Zukunft?

Erinnerung ist das Fundament jeder Gesellschaft und Gemeinschaft. Aber niemand kann alles erinnern, auch eine Gesellschaft nicht. Deshalb gibt es den Prozess, der der kürzlich verstorbene Kulturwissenschaftler Jan Assmann als „kulturelles Gedächtnis“ bekannt gemacht hat. Darunter versteht man das, was in einer Gesellschaft (oder Gemeinschaft) als erinnerungswürdig ausgehandelt wird. Wie sieht die Erinnerung an welchen Teil der Geschichte aus, um für die Zukunft wichtig zu werden? Das ändert sich gesellschaftlich je nach der politischen und kulturellen Zukunftsvision. Denn: Erinnerung stiftet Identität.
Entsprechend gilt das auch für die Kirchen. Was erinnern sie, um die Gegenwart und Zukunft zu gestalten? Letztlich ist die Bibel genauso eine „Erinnerungskultur“. Deshalb ist für die Frage des Amtes von Frauen die Erinnerung so wichtig. Der Prozess, welche Schriften grundlegend sein werden für die Kirche(n) etwa um 200 war genau so ein Prozess, die Erinnerung als Leitlinie für die Zukunft festzulegen.

Inzwischen hat die theologische Wissenschaft, nicht zuletzt durch viele Theologinnen, die Frauen in der Bibel, ihre Wertschätzung, ihre theologischen Botschaften und ihre Anteile am alttestamentlich wie neutestamentlich bezeugten Geschehen herauszuheben. Sie waren immer da, aber man hatte sie kaum beachtet.

Frauen haben in den letzten Jahrzehnten viel dafür geleistet, dass man heute weiß: Frauen gehörten zu den ersten Christinnen, sie waren genauso im Apostelamt und anderen Ämtern wie Männer. Frauen, die ihre Häuser für die frühen Versammlungen zum Herrenmahl öffneten, verdanken die Kirchen die Gemeinschaftsbildung. Frauen waren tätig in der Mission, wie man an der Grußliste des Paulus in Röm 16 sieht. „Es gibt nicht Mann noch Frau …“ (Gal 3,28) prägte die frühesten Gemeinden. Frauen wurden ab dem 2. Jh. wieder zurückgedrängt. Trotzdem blieben Frauen, nicht nur als Gläubige der Gemeinden unentbehrlich, sondern als Gestalterinnen ihrer jeweiligen Gegenwart. Ihre theologischen Schriften und Debatten mit Theologen kommen zunehmend wieder ins Bewusstsein und werden veröffentlicht. Die Mystikerinnen, die Geschichte der heiliggesprochenen Frauen, die politisch, kulturell und sozial tätigen Frauen in den Kirche(n) verdienen nicht nur Erinnerung. Vielmehr ist es für die Zukunft der Kirche(n) entscheidend, aufgrund dieser Erinnerung Frauen den Raum und die Wertschätzung zu geben, die unerlässlich sind, will man in Zukunft bestehen. Theologisch erinnert die Schöpfungstheologie daran, dass alle Menschen vor Gott „wunderbar geschaffen“ sind, wie der kommende Weltgebetstag der Frauen von den Cook Islands verkündet. Wie schön, wenn dies in der Kirche auch durch die Frauenordination sichtbar wird.

Dr. Ulrike Bechmann ist katholische Theologin und Islamwissenschaftlerin. Sie hatte von 2007 bis 2022 die Professur für Religionswissenschaft an der Universität Graz inne. Dem Weltgebetstag der Frauen ist sie durch Bibelarbeiten und Mitarbeit in den Vorbereitungen verbunden.

Reihe der Wortmeldungen aus der Ökumene von Elfriede Dörr