Ein langer Weg also


Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann (Foto: Julia Baumgart)

Margot Käßmann, wir feiern in diesem Jahr 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Warum findest Du es wichtig, dass ein solches Jubiläum gefeiert und die Geschichte von Frauen erinnert wird?

Herzlichen Glückwunsch an die lutherische Kirche in Rumänien zu dreißig Jahren Frauenordination! Wie lange wurde in den reformatorischen Kirchen überall auf der Welt darum gerungen! Da gab es das Thema Bibel, „das Weib schweige in der Gemeinde“. Die Tradition wurde als Gegenargument angeführt, ebenso die mögliche Belastung der ökumenischen Beziehungen zu römischem Katholizismus und Orthodoxie.

Die Ordination von Frauen wie Männern ist gut lutherisch begründet. Zum einen hat Luther klar gemacht: „Jeder getaufte Christ ist Priester, Bischof, Papst.“ Gewiss hat er kontextgebunden noch nicht an Frauen in diesen Ämtern gedacht. Aber konsequent weitergedacht geht es darum. Nach lutherischem Verständnis ist das ordinierte Amt kein Weiheamt, das den Priester von der Gemeinde abhebt. Im Grunde sendet die Gemeinde einen Mann in die theologische Ausbildung, damit er die rechte Verkündigung des Evangeliums und die rechte Verwaltung der Sakramente verantwortet. Dass das von einer Frau verantwortet werden kann, ist eine Erkenntnis des 20. Jahrhunderts.

Ein im vergangenen Jahr erschienener Studienband1 hat gezeigt, wie in Deutschland innerkirchliche Debatte und gesellschaftliche Veränderungen verknüpft waren – und und das war gewiss auch in Rumänien und anderen Ländern so. Das Ringen um eigenständige, anerkannte Erwerbstätigkeit von Frauen Ende des 19. Jahrhunderts etwa stand in Spannung zu den Weiblichkeitsvorstellungen vom Platz der sorgenden Mutter im Hause. Deutlich wird: Ohne das Drängen der Frauenbewegung auf eine Öffnung der Universitäten für weibliche Studierende, hätte es schlicht keine Theologiestudentinnen gegeben. Historisch wird nachgezeichnet, dass in der Weimarer Republik der Zugang für Frauen zum öffentlichen Dienst erweitert, von den Nationalsozialisten, deren Frauenbild von der Mutterrolle geprägt war, wieder zurückgedrängt wurde. Gleichzeitig übernahmen Frauen in den Kirchen pfarramtliche Aufgaben, als Pfarrstellen durch Kriegsdienstleistende vakant waren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber veränderte sich die Lage schrittweise bis dahin, dass es heute im öffentlichen wie im pfarramtlichen Dienst grundsätzlich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede mehr gibt.

Bei der Lektüre wird klar, wie sehr sich die Entwicklung innerhalb der evangelischen Landeskirchen parallel zur öffentlichen Auseinandersetzung um die Rolle der Frau bewegt hat. Gerade auch die Zölibatsklausel, die es in den deutschen Kirchen bis in die 80er Jahre gab, fand sich eben auch für Beamtinnen. Dabei ist Frauenordination keine Anpassung an den Zeitgeist, sondern Ergebnis eines Lernprozesses. Denn auch das war Luther klar: Die Kirche der Reformation erstarrt nicht in Traditionen, sondern muss sich immer wieder reformieren. Veränderung ist Zeichen lebendiger Auseinandersetzung mit Bibel und Welt.

In den Kirchen entwickelte sich die theologische und auch exegetische Debatte parallel zur rechtlichen, das wird deutlich. Insgesamt zeigt der Studienband, wie hoch der Einfluss der gesellschaftlichen Diskussion um die Rolle der Frau auf die kirchliche Auseinandersetzung war. Eine nachvollziehbare theologische Begründung beispielsweise, warum eine Frau mit Heirat ihre Ordinationsrechte aufgeben musste, ist mir nie begegnet.

Besonders interessant ist ein Beitrag, der zeigt, wie sehr die Rolle der Frau als “Zivilisationshüterin“ ihre Rolle als Pfarrfrau geprägt hat und wie sehr das als Bremsfunktion mit Blick auf den eigenständigen Zugang zum Pfarramt wirkte. In der Tat war es für viele Gemeinden eine immense Umstellung, als „Frau Pfarrer“ nicht mehr einfach die Frau des Pfarrers, sondern selbst Pfarrerin war.

Ein langer Weg also. Heute wird in den Landeskirchen in Deutschland die Frage nicht mehr gestellt, ob ein Mann oder eine Frau das Amt wahrnimmt, sondern wie das ordinierte Amt wahrgenommen wird, wie die Person es ausführt und prägt. Das ist ein großer Gewinn an Vielfalt. Und den können wir feiern.

Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann besuchte die EKR, zuletzt als Reformationsbotschafterin. Sie wurde 1985 ordiniert, war als Pfarrerin und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages tätig. 1999 bis 2010 war die vierfache Mutter Landesbischöfin der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers, 2009/2010 Vorsitzende des Rates der EKD. 2012-2018 war sie Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017. Seit Juli 2018 ist sie im Ruhestand.

Reihe der Wortmeldungen aus der Ökumene besorgt von Elfriede Dörr

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1 Banhardt/Gräßel-Farnbauer/Israel (Hg.), Frauenordination in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Interdisziplinäre Perspektiven, Stuttgart 2023.