"Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung"


Dr. Elfriede Dörr und Mihai Catargiu als EKR-Delegierte in Oxford (oben), Gruppenbild (unten) - Bilder: zVg

Mihai Catargiu aus Zeiden und Dr. Elfriede Dörr aus Hermannstadt nahmen als Delegierte der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) am Europäischen Treffen von Kirchenleitenden vom 21. bis 24. März 2023 in Oxford teil. An drei Fragen entlang berichten sie über ihre Erfahrungen.

1. Was sind die Themen der europäischen Kirchen im Kontext des Lutherischen Weltbundes (LWB) aus deiner  Perspektive als Jugenddelegierter (Mihai Catargiu) bzw. als Delegierte (Elfriede Dörr)?

MIHAI CATARGIU: Es sind die sozialen Themen welche nicht nur Europa, sondern die ganze Welt im Moment bewegen. Themen, wo die Kirchen zeigen wollen, dass sie nicht nur da sind, um Ruheorte und Gebetsplätze zur Verfügung zu stellen, um danach auf ein Wunder Gottes zu warten, sondern sich aktiv beteiligen wollen um Themen zu setzen und Meinungen zu prägen bei den Leuten, die die Kirche als Hirte in ihrem Leben sehen.

ELFRIEDE DÖRR: Aus den vielen Themen sind an diesem Treffen ganz klar folgende die am meisten diskutierten:

  • Geschlechtergerechtigkeit (in der Sprache und noch mehr in den Verhältnissen)
  • Beteiligung von jungen Menschen in Leitungspositionen
  • Kirche soll ein sicherer Ort sein und jeder Übergriffigkeit in Sprache oder Taten wehren
  • Klimagerechtigkeit mit großen Zielen, aber mit Blick für den nächsten kleinen Schritt

Das finde nehme ich als Delegierte zunächst einmal wahr und bringe sie dann in die Fortbildungsangebote unserer Kirche ein.

Ich staune, wie parallel der Diskurs in Europa verläuft. Wenn alle europäischen Delegierten meinen, die Kirchen sollten inklusiv sein, so meint man im Westen die Jugendlichen sollen sich willkommen fühlen, und zwar auch mit ihren Themen, also   Klimagerechtigkeit oder Toleranz gegenüber queer. Wenn man im Osten von Inklusivität spricht, meint man eher Evangelisation, also die Willkommenkultur solle der Mission dienen.

Was mich überrascht hat, ist, dass viele Vertreter aus den osteuropäischen Kirchen tief besorgt sind, weil die Menschen scharenweise aus der Kirche austreten. Wir haben diesen Einschnitt in unserer Kirche schon hinter uns, und wir haben eher Lust daran zu arbeiten etwas aus dem zu machen, was jetzt ist.

2. Was hat dich beeindruckt / was ist dir fremd?

MIHAI CATARGIU: Die Beteiligung der Jugend und die Wichtigkeit derer Meinungen in den Gemeinden hat mich beeindruckt bzw. ist mir fremd. Meinungen der Jugend werden in unserer Kirche zwar angehört, die Entscheidungen nehmen doch die Erwachsenen und dann meistens so, als ob die Meinung der Jugend nie angesprochen worden ist.

ELFRIEDE DÖRR: Mich beeindrucken die Jugenddelegierten, wie klar sie die Probleme benennen, wie gut ihre Vorschläge sind. Mich befremdet, dass sie immer wieder drängende Themen wie Klimagerechtigkeit vorbringen, im  Plenum alle  klatschen und dann zu business as usual übergehen. Ich glaube das muss sich ändern. Ein weltweites  Netzwerk im Rahmen des LWB könnte helfen, dass solche Themen in der Weltgemeinschaft bearbeitet werden. Die so nötige theologische Reflexion kann im Lutherischen Weltbund geleistet werden, sei es mit Fokus auf Öko-Theologie, Öko-Liturgie, Öko-Diakonie, oder Öko-Konvibvilaität.

3. Was kannst du von dem, was du bei der Vor-Vollversammlung erlebt hast im lokalen Kontext einbringen?

MIHAI CATARGIU: Außer mehr Fokus und Toleranz für Themen wie Klimawandel oder Mental Health (sowohl bei den Geistlichen als auch bei den Weltlichen) leider nicht vieles. Ich meine, dass wir als Gesellschaft auf einem niedrigeren Niveau sind als der Westen und im Moment anderes erst abhacken müssen, bevor wir Themen wie im Westen angehen können. Verkehrt ist es nicht jetzt schon den Worten, Taten folgen zu lassen, weil wir sonst auch hier zu spät anfangen und somit das Tempo mit dem Westen weiterhin nicht halten können.
Es stimmt zwar, dass viele kleine Leute, die in vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, das Gesicht der Welt verändern können. Gerade darum müssen wir aufpassen, dass wir nicht viele kleine Baustellen, an vielen kleinen Orten haben, die nie abgeschlossen werden.

ELFRIEDE DÖRR: Für eine kleine Kirche, wie unsere, ist es heilsam sich als Teil einer großen Weltgemeinschaft zu verstehen. Und für eine Weltgemeinschaft ist es gut, wahrzunehmen und – warum nicht - sich anzueignen, welches lutherische Erbe in diesem Teil der Erde gewachsen ist. Für diese Verbindung trete ich ein, hier wie dort.

Die Themen, die in der Weltgemeinschaft behandelt werden, haben in unserer Kirche immer eine Verankerung gefunden, selbst wenn das verspätet geschehen ist. Denken wir an die Ordination von Frauen, die auf das sachte Drängen des LWB vor 30 Jahren auf die Tagesordnung in unserer Kirche kam, theologische Klärungen vorgenommen und schließlich Entscheide getroffen wurden.