"Eine Chance, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen"


Pfr. Dr. Stefan Cosoroabă, Michelsberg

Geistliches Wort am Vierten Sonntag vor Ostern (Okuli), zu Lukas 9, 57 - von Pfr. Dr. Stefan Cosoroabă

Schwestern und Brüder!

Ein verzweifelter Patient sagte zu seinem Psychiater: „Wohin ich auch gehe, immer muss ich mich mitnehmen, und das verdirbt mir jeden Spaß.“ Wovor du auch wegläufst und wonach du dich sehnst, beides ist in dir. 

Es geht gar nicht anders. Wir nehmen uns immer mit. Wir nehmen uns mit, mit unseren Stärken und Schwächen, mit unseren Hoffnungen und Ängsten; überall hin. Wir tun es auch diese Tage. Das taten auch die Menschen, die den Messias ansprachen, und mit ihm mitgehen wollten. Da waren drei, mit denen er ins Gespräch über die Nachfolge kam. Der eine erschrak vor der Härte der Anforderung, der zweite konnte sich von seiner Familienpflicht nicht lösen, der dritte war in ehrsamen Tradition gefangen. Somit konnte sich letztlich keiner der drei überwinden, mitzugehen.  

Aber unter dem Strich kam es bei jedem auf die gleiche Herausforderung heraus. Jeder bejahten das Ziel, aber: sie hätten sich auf die Wanderschaft selbst mitnehmen müssen. Ihr ICH, mit den Prägungen der Tradition, der Pflichten und der Angst vor Herausforderungen und … und… Und das war ihnen zu viel.

Auch in den heutigen Zeiten müssen wir uns mitnehmen: in jede Begegnung, in jeden Online-Kommentar, in jedes Telefongespräch und auch in jede Isolation. Überallhin. Es war nie leicht, mit sich selber allein zu sein. Es ist auch nicht leicht nur mit den immer gleichen Menschen umgeben zu sein. Immer die gleichen Abläufe, die gleichen Gespräche. Die gleichen Ängste. Da wird das Ich lauter und lauter. Je weniger um mich herum, desto mehr vom eigenen Ich.

Liebe Freunde, wir lesen und hören es überall. Nehmen wir die jetzige Zeit der gesellschaftlichen Stille als eine Chance wahr, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen. Sonst rufen wir immer gehetzt: „Ich hab keine Zeit!“ Und wir haben tatsächlich immer wenig Zeit für die grundlegenden, tiefen Dinge des Lebens. Jetzt haben wir die Zeit- Das Leben wird auch nach diesem Stillstand weitergehen. Wir können aber die Zeit nutzen, den „Spaßverderber“ in uns in einen „Hoffnungsträger“ zu verwandeln.    

Herr Gott, Himmlischer Vater, schenke uns Mut und frohe Hoffnung, dass die kommende Zeit eine Zeit der sinnvollen Ruhe werde, dass unser innerstes Ich uns nicht hindere sondern vielmehr eine Stärkung sei, dass unsere Familien und Freunde gut behütet bleiben.

Amen.

Lied: 299 „Jesu geh voran

Eine gesegnete Woche!

Pfr. Dr. Stefan Cosoroabă (Michelsberg)