#EndViolence #16daysofActivism
"Miss you, sister", du fehlst mir, schreibt sie, du fehlst mir auch, antworte ich. Eine neue Freundschaft hat sich entwickelt, aus einem Tischgespräch in Breslau während der Frauenvorkonferenz des Lutherischen Weltbundes im September diesen Jahres. Ihren afrikanischen Namen kann ich nicht einmal richtig aussprechen, umgekehrt ist es wahrscheinlich auch so. Jeden Tag begrüßt sie mich mit: It´s a beautiful day, to stay beautiful. Schönheit ist ein Name Gottes, denke ich und freue mich über ihre Nachricht.
Heute hat sie paar Tipps auf ihrem Status veröffentlicht "How to teach our kids about private parts". Also "Wie wir unseren Kindern etwas über ihr Geschlecht beibringen." Ich erinnere mich, dass dieses ein wichtiges Thema für mich wurde, als meine Tochter auf die Welt kam. Wie schütze ich sie, was gebe ich ihr auf den Weg mit, was sage ich, wie früh über welche Grenzen, wie soll sie sich verhalten, wenn es zu Übergriffen kommt?
Die Freundin aus Bayern schickt ein Foto mit einem Banner an einem Gebäude während der Synode der bayerischen lutherischen Kirche, darauf steht: "Keine Gewalt gegen Frauen!" und "Orange the World to stop Violence against women", "Stoppt die Gewalt gegen Frauen". Die Freundin aus Kolumbien schickt ein Foto mit Frauen und Männern aus der lutherischen Kirche, mit dem Statement: "Como Iglesia decimos BASTA de Violencia contra Nineces, Adolescencias, Mujeres!" "Als Kirche sagen wir Basta zur Gewalt gegen Kinder, Jugendliche, Frauen." Die Freundin aus Nigeria schickt ein Foto von Frauen mit ihrem Plakat "Unite! Invest to end Violence against women and girls."
"Zusammen beenden wir die Gewalt gegen Frauen und Mädchen"
Die Freundin aus Indien: "We are looking for investors in a just community for all." "Wir suchen Investoren für eine gerechte Gemeinschaft für alle." Ein Mann steht dabei, sieht aus als sei das ein Pfarrer. Und alles jetzt in diesen Tagen mit dem Hashtag #EndViolence#16daysofActivism.
Ich lese auf www.unwomen.org/en/what-we-do/ending-violence-against-women/facts-and-figures#_ednref10: "Weltweit sind schätzungsweise 736 Millionen Frauen - fast jede dritte - mindestens einmal in ihrem Leben körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen Partner, sexueller Gewalt durch einen Nicht-Partner oder beidem ausgesetzt gewesen.(...) Im Jahr 2021, also seit Beginn der Pandemie, gaben 45 Prozent der Frauen an, dass sie oder eine Frau, die sie kennen, eine Form von Gewalt gegen Frauen erlebt haben. Sieben von zehn Frauen gaben an, dass verbaler oder körperlicher Missbrauch durch einen Partner häufiger geworden ist. Und sechs von zehn sind der Meinung, dass die sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum zugenommen hat."
Ich informiere mich über "16daysofActivism" mit wikipedia: "Die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen (Englisch: 16 days of activism against gender-based violence) sind eine internationale Kampagne zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die Kampagne läuft jedes Jahr vom 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. ... Dieser Aktionszeitraum wird weltweit genutzt, um das Ausmaß und die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt gegen Frauen zu thematisieren und Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen als fundamentale Menschenrechtsverletzung nachhaltige Folgen für die Betroffenen selbst, aber auch für die gesamte Gesellschaft hat."
Diese Kampagne geht auf Initiativen zurück, die sich die UN 1999 zueigen gemacht hat. Jedes Jahr mit einem eigenen Thema. Dieses Jahr ist es "Gemeinsam gegen psychische Gewalt." Was für ein gutes Thema, denke ich, es lenkt den Blick auf Prägungen, Kultur, Selbstverständlichkeiten, welche die Frauen einschränken, abwerten und entwürdigen.
"Wir alle haben eine ererbte Denkweise, was die Rolle von Frauen und Männern in der Gesellschaft angeht." Heißt es in einem Papier, welches zwei Delegierte unserer Kirche nach einer internationalen Konsultation unlängst zu Hause vorgelegt haben. Zur "Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt" heißt es hier:
"In unseren Gesprächen haben wir die folgenden Hindernisse ausgemacht:
- Eine Mentalität, die Gewalt als normal ansieht.
- Zerstörerischer Wettbewerb unter Frauen und Selbstaufopferung der Frauen im Glauben, sie würden die Familie retten.
- Kultur der Scham und Ehre.
- Geschlechtergleichheit wird als Äquivalent zu LGBTQIA+ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queers, Intersexuelle, Asexuelle) angesehen und nicht ernst genommen.
Um diese Hindernisse zu überwinden, haben wir die folgenden Strategien entwickelt:
Sich mit bestehenden Strukturen und Gruppen zusammenzuschließen, aufmerksam machen durch:
- Informieren, unterstützen, sichere Räume schaffen (Beratung, Bürokratie, etc.).
- Unterstützung des Heilungsprozesses.
- Aufklärung und Bewusstseinsbildung mit bestehenden Gruppen: Jugendliche, Frauen, Männer, ältere Frauen und Männer.
- Mit Aufklärung beginnen, über Sexualität, Gesundheit und den Körper Sprechen."
"Miss you, sister", schreibt meine meine neue Freundin. Sie schickt mir ein Foto mit ihren drei Töchtern. Dann auch ein Foto ihres Mannes mit einem Herz drauf. Er komme aus einem Stamm in Tansania, wo die Frauen nichts zu melden hätten, hat sie mir in Breslau erzählt. Ihr Mann aber sei anders, sagt sie und strahlt. How beautiful, sage ich, wie schön.
Elfriede Dörr