Frauenordination: Grußwort zur Festveranstaltung
„30 Jahre Frauenordination in der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien“: Grußwort von Pfarrer Dr. Mario Fischer, Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zur Festveranstaltung anlässlich des Jubiläums 26. August 2024, Hermannstadt
Sehr geehrte Damen, liebe Schwestern,
ich danke Ihnen herzlich für die Einladung zu ihrer Festveranstaltung. Es ist mir bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass ich als Mann an diesem Festtag einige Worte an Sie richten darf.
Ich gratuliere der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien für die dreißig Jahre, in denen sie nun Frauen ordiniert. Es freut mich, dass im Rahmen der Vorbereitung der 9. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Hermannstadt auch Frauen aus anderen evangelischen Kirchen in Rumänien an der Festveranstaltung teilnehmen und dass die Einladung auch an Frauen aus der GEKE ergangen ist, die ohnehin zur Vollversammlung anreisen.
Lassen Sie mich mit einer kleinen Szene beginnen: Vor vierzig Jahren sitzen ein paar Mädchen beisammen und überlegen, was sie einmal werden möchten, wenn sie groß sind. Die kleine Katharina sagt: „Ich will Pfarrer werden!“ Ihre Freundinnen lachen. „Du bist doch ein Mädchen. Frauen werden Krankenschwester, Lehrerin, Köchin oder Verkäuferin, aber doch nicht Pfarrer.“
Seit dreißig Jahren gibt es nun Frauenordination in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Dies ist nicht vom Himmel gefallen. Die Frauenordination wurde hart erkämpft – nicht nur in Rumänien, überall auf der Welt. Den Frauen wurden auf ihrem Weg ins Pfarramt starke gesellschaftliche und kulturelle Hindernisse in den Weg gestellt, die zum Teil mit (vermeintlich) biblischen Argumenten verteidigt wurden.
Und wo Frauen ordiniert wurden, war dies anfangs fast überall nur mit Einschränkungen möglich: Nur unverheiratete Frauen wurden ordiniert; bei Heirat drohte ihnen der Verlust der Ordinationsrechte. Im Pfarramt hatten sie nicht die gleichen Rechte und männliche Kollegen konnten Veto einlegen, wenn sie mit einer Pfarrerin zusammenarbeiten sollten. So wurde dieses Thema als unzumutbare Gewissensfrage dargestellt.
In meiner Heimatkirche, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) werden offiziell seit 1949 Frauen ordiniert. 1969 fiel die verpflichtende Zölibatsregel für Frauen und erst 1971 wurden Frauen und Männer im pfarramtlichen Dienst rechtlich gleichgestellt.
Liest man in dem Synodenprotokoll von damals nach, so kann man etwas von der Atmosphäre der damaligen Debatte erahnen. Dort steht:
Synodaler X.: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, hohe Synode, bitte bedenken Sie: Wenn wir jetzt den Frauen die gleichen Rechte wie den Männern geben, dann haben wir eines Tages eine Kirchenpräsidentin.“ (Gelächter der Synode).
Seit 2006 hat die EKHN eine stellvertretende Kirchenpräsidentin. Im September 2024 stehen bei der Wahl zum Amt des Kirchenpräsidenten/der Kirchenpräsidentin zwei Kandidatinnen zur Wahl.1
Der Redner von 1971 hat Recht behalten. Doch würde seine Rede heute kein Gelächter mehr hervorrufen. Was damals als undenkbar galt und allenfalls Gelächter hervorrief, steht heute nicht mehr in Frage.
Wenn heute die kleine Katharina sagen würde „Ich will Pfarrer werden!“, würden ihre Freundinnen wohl auch lachen und sagen: „Das geht doch nicht. Du kannst doch nicht Pfarrer werden. Du wirst Pfarrerin!“
Die GEKE hat im Oktober 2022 erstmals zu einer Veranstaltung ausschließlich von und für Frauen eingeladen unter dem Titel „Empowering Ordained Women“. Junge Pfarrerinnen aus sieben Ländern Mittelost- und Südosteuropas kamen zusammen. Es ging dabei z.B. um Fragen der Sichtbarkeit von Pfarrerinnen. Schauen Sie sich Bilder von kirchlichen Veranstaltungen an, Gruppenbilder von Festveranstaltungen in kirchlichen Medien: Wie viele Frauen und wie viele Männer finden sie darauf? Warum erscheint es uns oft noch normal, dass auf offiziellen Fotos nur Männer in kirchlicher Amtstracht stehen? Und wie sieht es mit den arbeitsrechtlichen staatlichen Rahmenbedingungen für Frauen im Pfarramt aus? In vielen Ländern machen es die staatlichen Regelungen für Mutterschutz und Elternzeit den Frauen sehr schwer den ohnehin schon anstrengenden Spagat zwischen Familie und Pfarramt erträglich zu gestalten. All dies sind wichtige Themen, die wir ansprechen müssen – auch in Bezug auf die Zukunft im Pfarramt und die Nachwuchsgewinnung. Die Zahl der Studentinnen steigt im Fach Evangelische Theologie kontinuierlich und in vielen Ländern übersteigt sie bei weitem die Zahl der männlichen Studenten. Wie wollen wir die Arbeitsbedingungen für diese Kolleginnen gestalten?
Ich danke allen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten für die Gleichberechtigung in unseren Kirchen eingesetzt haben, die erkannt haben, dass dem kirchlichen Dienst etwas fehlt, wenn die Hälfte der Menschheit, die als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, vom Pfarramt ausgeschlossen bleibt.
Feiern Sie gemeinsam, was Sie erreicht haben und nutzen Sie diese Tagung für Gespräche und Austausch. Bilden Sie Netzwerke und motivieren Sie andere, sich für gleicher Rechte in der Kirche einzusetzen. Es ist wichtig, dass Frauen in der Kirche und Öffentlichkeit sichtbar werden. Lassen Sie sich nicht kleinreden und verstecken Sie sich nicht, sondern treten Sie mutig und selbstbewusst auf. Sie haben allen Grund dazu!
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Pfr. Dr. Mario Fischer (*1976) ist Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Als Pfarrer stellte sich ihm die Frage, wie die Kirche Männer in ihren Glaubensfragen ernst nehmen kann. Daher war er zehn Jahre Feuerwehrseelsorger und aktiver Feuerwehrmann, sowie in der Seelsorge im Bundesgrenzschutz und bei der Deutschen Seemannsmission tätig. Er ist Mitglied des Johanniterordens und Kurator der Evangelischen Michaelsbruderschaft in Österreich. Mit seiner Frau und zwei Söhnen lebt er in Wien.
Anmerkung:
1 Am 28. September 2024 wurde die Theologieprofessorin Dr. Christiane Tietz im ersten Wahlgang zur ersten Kirchenpräsidentin der EKHN gewählt.