“Gott lässt sich erkennen”


Vikarin Angelika Beer vor der Kirche in Neppendorf.

Dem Gemeindeverband Neppendorf, im Hermannstädter Kirchenbezirk, gehören insgesamt acht Gemeinden an. Vikarin Angelika Beer sandte uns neben dem Geistlichen Wort zum Sonntag Exaudi auch ein Bild aus der Kirche von Haschagen, der kleinen Gemeinde ganz im Nordosten des Verbandes.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen.

Wir hören das Predigtwort, wie es geschrieben steht im Buch des Propheten Jeremia, im 31. Kapitel:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Liebe Schwestern und Brüder,

wir sind in einer Zwischenzeit, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, zwischen Gottesdiensten als Video oder ausgedruckt zum Lesen zu Hause und Gottesdiensten in unseren Kirchen statt davor oder daneben, wo wir heute sind.

Und als ganze Welt sind wir in einer Zwischenzeit, mit dieser Pandemie, mit der vieles ungewohnt ist, in einer Zwischenzeit, in der auch doch das Leben jetzt ist. In der jetzt vieles wächst, entsteht und gedeiht.

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen. Alte Worte sind das, Worte, die der Prophet Jeremia aufgeschrieben hat vor 2.600 Jahren.

Worte, die an Andere gerichtet waren, nicht an uns. Und doch sind diese Worte durch die Generationen getragen worden und uns überliefert. Und so lesen und hören wir diese Worte heute, an diesem Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, von dem es heißt, er seit der traurigste und einsamste im ganzen Kirchenjahr: Jesus ist aufgefahren in den Himmel und der Heilige Geist ist noch nicht da. Eine Gott-lose Zeit also? Eine Zwischenzeit, in der selbst Gott nicht da ist?

Ihr Lieben, ich ahne und spüre, dass jetzt eine Zeit ist, in der Gott etwas in unser Herz hineinlegt und in unseren Sinn hineinschreibt. Zeichen des Ewigen, der gegenwärtig ist – auch in dieser Zwischenzeit, die unsere Kalender geleert hat.

Als noch nicht klar war, ab wann wieder Präsenzgottesdienste möglich sein werden, und wir überlegt hatten, in welchen Kirchen unseres Gemeindeverbandes wir die nächsten Videogottesdienste aufnehmen, wären heute Bilder aus Haschagen gekommen. Hinter Salzburg gelegen, auf dem halben Weg nach Medias, eine Kirche, in der schon lange kein Gottesdienst stattgefunden hat. Eine Kirche, die etwas Besonderes hat: einen leeren Altar.

Einen Altar ohne Gemälde, ohne Bild von Gott. Nur der Rahmen steht, hoch in hellem, edlen, feinen Grau, golddurchwirkt. Zwei Säulen links und rechts auf dem Altartisch und darüber ein geschwungenes Dach, mit einem goldenen Lamm in der Mitte, das eine Fahne trägt. Ein Zeichen für Jesus Christus, der den Tod überwunden hat. Aber so klein ist dieses Lamm, dass es mir gar nicht aufgefallen ist – dafür umso mehr der leere Altar, ohne Bild in der Mitte und gerade damit stark und faszinierend. Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. Das zweite der Zehn Gebote. Du kannst den Ewigen nicht in ein Bild fassen. Und gerade das sagt so viel, dieser leere Altar. Dass Gott da ist, aber anders. Dass Gott in unsere leergewordenen Kalender Neues hineinlegt und hineinschreibt. Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

Leer soll unser Herz und unser Sinn werden. Um Neues aufnehmen zu können. Um Platz zu haben, damit etwas hineingelegt und hineingeschrieben wird.

Zeichen von Gottes Gegenwart, Zeichen seines Weges mit uns, in unserem Herz, in unseren Sinn. Vielleicht ist es auch das, was gerade oft müde macht, weil Zeichen in unser Herz gelegt werden und in unseren Sinn geschrieben.
Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr.

Gott lässt sich erkennen. Gottes Bund – auch mit uns – hat seine Zeichen. Heute, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, hier draußen neben Kirche im Grünen, unter offenem Himmel, umgeben vom Zwitschern der Vögel: Der leere Altar in der Kirche von Haschagen als ein Zeichen. Der leere Altar, der das Herz anspricht und mir eine Brücke geworden ist zu Jeremia, dem Propheten vor langer Zeit: Jeremia, dessen Name bedeutet Gott möge erheben. Gott möge auch uns erheben, mit dem, was er in unsere Herzen legt und in unsere Sinne schreibt. Gott möge auch uns erheben, damit wir aufmerksam werden auf Gottes Geist, auf ein Pfingsten in uns und mit uns. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Sinne und Herzen in Christus Jesus, Amen.

Lied 93 (Komm, o komm, du Geist der Wahrheit), Strophen 1-2.5