Herr Pfarrer? Nein, Herr Pfarrerin! Ein Leben in Rumänien an der Seite einer Pfarrerin


Familie Schöll (Bild: Privat)

Es gibt zu diesem Zeitpunkt nur einen einzigen Nicht-Theologen, der eine Pfarrerin der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien zur Frau hat. Der bin ich. Ich gehöre also zu einer sehr kleinen Minderheit. Ich lernte meine Frau kennen, als sie Vikarin war, und bin bis heute stolz, wenn sie Gottesdienste hält. Unsere Rollenverteilung hat sich im Laufe der Zeit angepasst: Anfangs übernahm sie den Großteil der Elternzeit, später tauschten wir. Aktuell arbeite ich in Teilzeit als Softwareentwickler, während sie Vollzeit als Pfarrerin tätig ist. Finanziell nicht ideal, aber das ist zweitrangig.

Meine Haltung zur Frauenordination ist klar: Ich unterstütze sie uneingeschränkt. Frauen sollten ihre Stärken überall einbringen können – auch im Pfarramt. Theologisch gibt es für mich nichts mehr zu diskutieren; die Argumente sind längst ausgetauscht. Leider bleiben die Fronten verhärtet. Im Alltag in rumänischen Dorf, in dem wir unsere Kinder- und Jugendarbeit anbieten, werde ich oft mit „Herr Pfarrer“, rumänisch „Domnul Părinte“ angesprochen. Das bringt mich regelmäßig in die Lage, die Rollenverteilung zu erklären: „Nein, ich bin nicht der Pfarrer, das ist meine Frau.“ Der Überraschungseffekt ist immer wieder unterhaltsam. Besonders die älteren orthodoxen Dorfbewohner haben Schwierigkeiten, das zu begreifen. Schließlich ist es dort noch immer undenkbar, dass eine Frau auf der Kanzel stehen könnte.

Einmal antwortete ich bei einem Treffen mit Müttern unserer Teilnehmer auf die Fragen, wie ich denn genannt werden will, wenn ich kein „ Părinte“ sei, dass sie mich einfach Michael nennen könne. Sie schaute mich freundlich an, nickte zustimmtend und sagte: „Gut, dann machen wir das so, Herr Pfarrer!“ Ich habe es aufgegeben und freue mich, vom Glanz meiner Frau etwas abzubekommen.

Auch innerhalb der evangelischen Gemeinschaft in Siebenbürgen gibt es Anekdoten, die mich schmunzeln lassen. Die leider vor kurzem verstorbene Frau Depner, eine geschätzte Persönlichkeit in der Gemeinschaft und selbst Mutter einer Pfarrerin, meinte einmal augenzwinkernd, dass ich eigentlich „Herr Pfarrerin“ heißen müsste. Ich nehme das als charmanten Hinweis darauf, dass ich als Pfarrersmann eine besondere Rolle spiele. Nicht nur von ihr, sondern praktisch von allen Gemeindegliedern wurden meine Frau und wir sehr freundlich empfangen. Meine „Frau Pfarrerin“ wurde ohne Probleme akzeptiert. Das ist ein sehr schönes Zeichen!

Dieses Jahr feiern wir das 30-jährige Jubiläum der Frauenordination in unserer Kirche – ein wichtiger Meilenstein, der aber auch zeigt, wie lange der Weg zu Gleichberechtigung und Akzeptanz ist. Diskussionen über die Rolle der Frau in der Kirche oder in der Gesellschaft generell zeigen mir, wie wertvoll es ist, Meinungen mit Respekt zu begegnen.

Ich habe einen Traum: dass wir in einer Gesellschaft leben, in der wir uns gegenseitig mit Respekt begegnen und unterschiedliche Ansichten nicht nur akzeptieren, sondern als Bereicherung empfinden können. Eine Welt, in der Frauen und Männer, alle daneben und zwischendrin, egal welcher Herkunft oder Lebensweise, Eigenarten, Vorlieben und Identitäten gleichberechtigt ihre Berufung leben können. Eine Gesellschaft, in der Vielfalt ein Schatz ist, der uns alle bereichert. Es wäre schön, wenn wir als Kirche einen solchen Ort schaffen können, aus dem diese Werte in die Welt strahlen.

Ein schöner Traum. Und ich bin sicher: Jesus würde er gefallen. Să ne ajute Dumnezeu!

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Michael Schöll, Pfarrerssohn, 1982 geboren in Nürtingen/Deutschland. Schwabe, Medizininformatiker, Liegeradfahrer. Studierte an der Heidelberger Universität mit einem Auslandssemester in Kronstadt, danach Promotion zum Dr. sc. hum. im Bereich der Hirnforschung. Seit zwölf Jahren aus Überzeugung Ehemann der Pfarrerin Christiane Schöll. Die beiden haben vier Kinder und wohnen in Cobor/Kiewern im Kreis Kronstadt. Seine Frau Christiane Schöll ist Pfarrerin im Repser Ländchen und in der Honterusgemeinde in Kronstadt