Hoffnung verkünden in einer turbulenten Welt: Die Berufung von Frauen in das ordinierte Amt feiern


Pfarrer Dr. Sivin Kit (Bild: zVg)

Sivin Kit, warum findest Du als Theologe und als Direktor der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit beim Lutherischen Weltbund (LWB) es wichtig, dass Frauen Zugang haben zum ordinierten Amt?

Ich bin dankbar, mit diesen Überlegungen mich mit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien zu verbinden, die vor 30 Jahren beschlossen hat, Frauen zum ordinierten Amt zuzulassen. Als malaysischer Theologe möchte ich auch erwähnen, dass die lutherische Kirche in Malaysia 1994 die ersten drei Pfarrerinnen ordiniert hat. Wir haben also diesen Weg aus verschiedenen Teilen der Welt gemeinsam beschritten. Ich ziehe es vor zu sagen, dass die Entscheidung in unseren jeweiligen Kirchen Frauen „befähigt“ hat, ihre Berufung zum Dienst an Wort und Sakrament zu erfüllen.

Wenn es um die Praxis der Frauenordination geht, denke ich an die Auferstehungsgeschichte und der Auftrag Jesu an Maria Magdalena, die im Johannesevangelium Zeugin der Auferstehung ist. Sie wurde von Jesus eindeutig dazu berufen und beauftragt, den Jüngern und auch dem Rest der Welt die gute Nachricht zu verkünden. Dies ist mein Ausgangspunkt, um die Bedeutung der Frauenordination zu verdeutlichen. Die Worte Jesu sind ermutigend und geben uns eine Orientierung für die Verkündigung der Hoffnung in einer turbulenten Welt.

Mir ist klar, dass es hier auch um die Frage der Gleichstellung der Geschlechter und sogar der Geschlechtergerechtigkeit geht, die in den Kirchen angesprochen werden muss, die dazu neigen, die Rolle der Männer in der Kirchenleitung zu privilegieren. Dies wird in den LWB-Richtlinien zur Geschlechtergerechtigkeit klar zum Ausdruck gebracht, die nun 10 Jahre nach deren Beschluss durch die Mitgliedskirchen mancherorts noch auf ihre Einführung und Umsetzung wartet. Ich möchte jedoch nicht den grundlegenderen Fokus auf die eigene Berufung und den eigenen Auftrag zum Dienen vergessen. Viele Frauen wurden in der frühen Kirche und im Laufe der Kirchengeschichte zum Dienen berufen. Darüber hinaus sehe ich die LWB-Richtlinie  zur Geschlechtergerechtigkeit als eine Möglichkeit, die „Unterstützung von weiblichen Führungskräften, Laien und Ordinierten, insbesondere von Bischöfinnen und Präsidentinnen, als unverzichtbare Mitglieder der Gemeinschaft“ durch den LWB zu verstärken.

In Malaysia, wo wir seit 1994 die Ordination von Frauen praktizieren, habe ich mit vielen zusammengearbeitet, die  dieses Amt angenommen haben, die aufgrund der Erwartungen der Gemeindemitglieder und anderer Vorurteile gegenüber männlichen Pfarrrern manchmal nicht einfach war. Ich bin jedoch dankbar, dass viele die Frauen diese Herausforderungen gemeistert und hervorragende Leistungen im Dienst erbracht haben. Gleichzeitig habe ich auch Studenten im Seminar unterrichtet, die in kirchlichen Kontexten leben, in denen die Frauenordination noch nicht in Sicht ist, oder wo Frauen in der Kirche ungerecht behandelt werden. Das macht mich traurig, denn wir verschenken das Potenzial, das in unseren Kirchen bereits vorhanden ist.

In meiner eigenen Heimatgemeinde habe ich mit Pfarrerinnen gut zusammengearbeitet. Oft bringen sie eine Perspektive ein, die mein eigenes Denken herausfordern. Außerdem bereichern sie die Kirche in Bezug auf die Kirchenleitung. Wir haben bereits einige der ersten ordinierten Frauen der lutherischen Kirche in Malaysia in den Ruhestand verabschiedet, und ich danke Gott für ihren treuen und fruchtbaren Dienst.

Außerdem leben wir in Asien in einem multireligiösen Umfeld mit buddhistischen, muslimischen und hinduistischen Nachbarn. In diesen Religionsgemeinschaften gibt es Nonnen und muslimische Religionslehrerinnen in ihrer Mitte. Ich denke, dass Pfarrerinnen auch Auswirkungen auf das breitere Zeugnis und den Dialog mit Menschen anderer Religionen haben. Darüber hinaus glaube ich, dass die Ordination und Leitungsverantwortung von Frauen es uns ermöglicht, die Rolle von weiblichen Glaubensführungspersönlichkeiten zu formen, was ein Dienst für die breitere Gesellschaft sein kann.

Im Rahmen des Lutherischen Weltbundes arbeite ich derzeit mit der Generalsekretärin, Pfarrerin Dr. Anne Burghardt, zusammen, deren Führungsqualitäten ich bewundere. Ich arbeite auch mit anderen Theologinnen zusammen, wie z.B. mit der Koordinatorin des Theologie- und Leitungsteams Katariina Kiilunen, die ihre einzigartigen Fähigkeiten bei der Stärkung der Kapazitäten von Führungskräften in der Gemeinschaft unter Beweis gestellt hat. Ich lerne auch weiterhin von meiner Kollegin Marcia Blasi, die für das Programm Gender Justice and Women's Empowerment zuständig ist. Wenn ich mit diesen Theologinnen zusammenarbeite, fühle ich mich weiser - durch unsere Zusammenarbeit hinsichtlich theologischer Beurteilung, der transformativen Leitung und der treuen Weitergabe von Hoffnung in einer zerbrochenen Welt wie der unseren.

Vor kurzem hat die Lutherische Kirche Australiens einen bedeutenden Schritt zur Ordination von Frauen für den Dienst an Wort und Sakrament getan. Mir ist aufgefallen, dass sie es vorzogen zu sagen, dass diese Entscheidung eine Ermächtigungsentscheidung ist. Ich fühle mich davon inspiriert. Es gibt viele Mitgliedskirchen, die noch mit diesem Thema ringen. Ein Anliegen, das ich in dieser Diskussion habe, ist, dass wir uns nicht darauf beschränken dürfen, über Ordination zu sprechen, als ginge es um ein Machtgleichgewicht zwischen Männern und Frauen. Sondern um Befähigung von Männern und Frauen gleichermaßen, um Gottes Ruf zu folgen und Gottes Heilung in der Welt voranzubringen. Wie schön ist es, wenn wir, Männer und Frauen, einander die Hände reichen in dem Dienst, der das Leben und die Welt verändern wird. Ich sehe die 30 Jahre zwar als Markstein der Überwindung von Hindernissen, die Frauen im Wege standen. Ich sehe die 30 Jahre aber auch als Türöffner, um mehr Menschen, also auch Frauen, die treu sein wollen, in die Lage zu versetzen, auf Gottes Ruf und die Bestätigung der Kirche zu reagieren. Das sollten wir feiern.

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Pfarrer Dr. Sivin Kit (郭晓鸣) ist ein malaysischer Theologe, der derzeit als Direktor der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit beim Lutherischen Weltbund (LWB) in Genf tätig ist. In dieser Funktion ist er für die Arbeit des LWB in den Bereichen globale theologische Überlegungen, theologische Ausbildung, Kirchen im öffentlichen Raum und ganzheitliche Mission, transformative Führung, Kirchen in der Nothilfe und Entwicklungsarbeit, Geschlechtergerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, Friedenskonsolidierung, Menschenrechte und Advocacy zuständig.