Neujahrsempfang 2016 mit Lehrbuchvorstellung
Etwa hundert Gäste erschienen am 8. Januar zum diesjährigen bischöflichen Neujahrsempfang der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) in Hermannstadt. Neben den Festreden, die sich sowohl dem zu Ende gegangenen Jahr der Bildung als auch dem Jahr der Reformatoren 2016 widmeten, wurde im Rahmen des Festes auch das neue Lehrbuch für den Evangelischen Religionsunterricht in den Zweiten Klassen, „Gott, du bist immer für mich da“ präsentiert.
Wie in den vergangenen Jahren fanden sich nicht nur Amtsträger der Kirche – Landeskirchenkurator Prof. Friedrich Philippi, Bischofsvikar Bezirksdechant Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli, Landeskonsistoriumsmitglieder, Bezirksdechanten, Pfarrer und Mitarbeiter der EKR –, sondern auch die diplomatischen Repräsentanten Deutschlands und Österreichs, Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) sowie Wirtschaftstreibende und Kulturschaffende zum Festempfang ein. Jürg Leutert, Landeskirchlicher Musikwart, und Erika Martina sorgten für die musikalische Begleitung des Neujahrsempfanges.
Neues Religionsbuch zum Abschluss des „Jahres der Bildung“
Die Leiterin der Arbeitsstelle für Religionspädagogik, Dipl.-Theol. Britta Wünsch, stellte das neu erschienene Buch „Gott, du bist immer für mich da“, das Lehrbuch für den Evangelischen Religionsunterricht in den Zweiten Klassen, vor. Das von Britta Wünsch und Dorothea Binder verfasste Buch ist im Schiller-Verlag (Hermannstadt-Bonn) erschienen und kann über das Landeskonsistorium der EKR bezogen werden.
Landeskirchenkurator Prof. Friedrich Philippi nutzte die Gelegenheit seiner Neujahrsrede auch in diesem Jahr für einen sehr bewegenden Jahresrückblick auf das Jahr 2015, in dem er auf die Schicksale der Menschen in den kleinen und kleinsten Gemeinden der EKR einging. Diese Rede möchten wir im Folgenden wiedergeben.
Siehe auch: Bilderreihe "Neujahrsempfang 2016"
Rede am Neujahrsempfang 2016
Hochwürdiger Herr Bischof, liebe Frau Bischof, verehrte Gäste,
Herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Empfang! Er gibt uns Gelegenheit jetzt zu Beginn dieses neuen Jahres sich mit Gleichgesinnten und unserer Kirche Nahestehenden zu treffen und im Gespräch auf das abgelaufene Jahr Rückschau zu halten, um dann gestärkt die Arbeit an den vielfältigen Herausforderungen des Neuen Jahres beginnen zu können.
Für die letzten Jahre hatte das Landeskonsistorium auf Vorschlag des Bischofs jeweils ein Vorzeichen gesetzt. So wie es in der Notenschrift am Anfang jeder Zeile
stehen kann, um die richtige Tonart anzugeben. Und so wie ein Kreuzchen am Anfang der Zeile den jeweiligen Ton um einen Halbton erhöht, so war auch in unserer Kirche dann in jedem Jahr durch das gewählte Vorzeichen die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Bereich der Gemeindearbeit erhöht: Im Jahr des Gottesdienstes auf diesen, im Jahr der Diakonie auf den Dienst am Nächsten und im abgelaufenen Jahr der Bildung, auf diese. So wie diese Vorzeichen in der Musik dann für mehrere Takte, vielleicht sogar für das ganze Musikstück gültig sind, so bleiben die Vorzeichen unserer Kirchenjahre auch für die nächsten Jahre von Bedeutung.
So sind die Gottesdienste natürlich auch weiterhin die Hauptform der geistlichen Betreuung für die meisten unserer Gemeindeglieder. Und unsere Pfarrer sind weiterhin bestrebt, durch die Gottesdienste unsere Gemeinden zusammen zu halten. Manche von ihnen halten Sonntag für Sonntag zwei bis drei Gottesdienste, zwischen denen oft auch weite Strecken zurückzulegen sind. Es werden sogar mehr Gottesdienste gehalten als auf der Internetseite unserer Kirche nachzulesen ist. Und wo es möglich ist, werden gleichzeitig auch Gemeindeglieder aus der Umgebung zu den Gottesdiensten mitgenommen.
Für diesen Einsatz sei auch von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön ausgesprochen! Dieser Dank gilt auch den Lektoren unserer Kirche, die in einigen Gemeinden auch zur Aufrechterhaltung eines regelmäßigen gottesdienstlichen Lebens beitragen.
Allerdings werden durch die Gottesdienste leider nicht alle unsere Gemeindeglieder erreicht. Gibt es doch rund 80 Kleinstgemeinden mit zusammen ungefähr 500 Gemeindegliedern in denen kein Gottesdienst mehr gefeiert wird und auch kein Abholdienst sie erreichen kann. Zusammen wären sie also eine größere Gemeinde. Wenn diese sich dann z.B. nicht, wie aufgefordert, ins eigene Auto setzen, um die 30 km zum nächsten Gottesdienst zu fahren, sondern sich statt dessen einer Freikirche anschließen, dürfen wir uns darüber nicht wundern. Es ist zu spät, wenn unsere Kirche dann erst beim Begräbnis wieder in Erscheinung tritt!
Darum halte ich es für nötig auch über andere Formen der geistlichen Betreuung dieser vielen zum Teil auch unter Vereinsamung Leidenden nachzudenken, Formen, die auch wochentags stattfinden können. Möglich wäre ein regelmäßiger Besuchsdienst mit Hausandachten.
Sehr beeindruckt hat mich die Schilderung des Weihnachtseinsatzes von Pfarrer Sinn aus dem Banat. Neben zwei Gottesdiensten in seiner Gemeinde Semlak, dann in den nächsten Tagen nach 125 km Fahrt Gottesdienst in Liebling, nach weiteren 55 km Hausandacht in Kleinschemlak und zwei Hausandachten in Klopodia (bei zwei 85 bzw. 94 Jahre alten Frauen), dann Hausandacht in Birda und dann Rückfahrt von wieder rund 200km nach Semlak. Da ich Pfarrer Sinn einmal auf einer solchen Betreuungsfahrt begleiten durfte, kenne ich die Orte und z.T. auch die aufgesuchten Gemeindeglieder. Er hat erkannt, dass ein solcher Besuchsdienst mit Hausandachten die sinnvollere Art der Betreuung ist.
Auch ein eigener Einsatz als Lektor im vergangenen Sommer stimmte mich nachdenklich: ich hielt einen Gottesdienst in Stolzenburg für die drei Gemeinden: Großscheuern, Stolzenburg und Reussen. Für Reussen gab es einen Abholdienst, aber es kam niemand mit. Aus Stolzenburg und Großscheuern waren zusammen 10 Gottesdienstbesucher.
Beim Reussener-Treffen im August gab es dann dort eine volle Kirche, allerdings ohne einen einzigen vor Ort lebenden Reussner. In Reussen gibt es inzwischen 11 Gemeindeglieder, die hier leben, und 47 die in Deutschland leben. Und solche Gemeinden gibt es inzwischen mehrere. z. B. Deutschweißkirch (84 in D., 29 hier), Großpold (58 in D., 44 hier), Schönau (12 in D., 9 hier), Arkeden (21 in D., 3 hier). Wie aber betreut man eine Gemeinde, deren Mehrheit im Ausland lebt?
Das geht dann wohl nur durch Gottesdienste in den Sommermonaten, besonders dann, wenn die Heimatortsgemeinschaften ihre Treffen hier in Siebenbürgen feiern. 2015 gab es 91 HOG-Treffen, davon 20 hier bei uns in Siebenbürgen.
Das Jahr 2014 stand dann unter dem Vorzeichen der Diakonie und natürlich ist dieses Vorzeichen immer noch aktuell. Danke all denen, die in unserer Kirche hauptamtlich oder ehrenamtlich in diesem Bereich aktiv sind!
Das eben zu Ende gegangene Jahr 2015 war dann der Bildung in ihren verschiedenen Facetten gewidmet und hat durch vielfältige Veranstaltungen darauf hingewiesen, wie wichtig unserer Kirche deutschsprachige evangelische Bildungsarbeit ist. Und natürlich wird dieses Vorzeichen auch für die nächsten Jahre gültig bleiben, denn es gibt auch da noch Einiges weiter zu führen und zu verbessern.
Das betrifft z.B. den evangelischen Religionsunterricht an den deutschsprachigen Schulen. Er wird z.T. von unseren Pfarrern gehalten, in sehr vielen Fällen aber auch von Grundschullehrerinnen oder anderen Personen ohne entsprechende religionspädagogische Ausbildung, also fachfremd (z.B. in Fogarasch, Bukarest, Heltau, Kronstadt, Zeiden, Schässburg). Dem ist nur sehr schwer beizukommen, weil wir keine Ausbildungsstätte für Religionslehrer haben, aber diese müssten intensiver betreut und regelmäßig fortgebildet werden.
Aus der leider auch im Jahr der Bildung unvollständigen Aufstellung der Situation des Religionsunterrichtes des vorigen Schuljahres 2014-2015 geht hervor, dass immerhin 3800 Schüler den evangelischen Religionsunterricht besuchen. Ein Vergleich dieser Aufstellung mit der Schulstatistik des Siebenbürgenforums zeigt aber auch, dass es deutschsprachige Schulen ganz ohne evangelischen Religionsunterricht gibt (z.B. Bistritz, Elisabethstadt, Freck, Großpold, Malmkrog, Schässburg (5.-12.Kl.), Rosenau, Bukarest (Lyzeum) u.a.)
Jeder Lehrer weiß, wie schwer es ist fachfremd zu unterrichten, und dabei auch noch ohne Lehrbuch auszukommen. Allen Religionslehrern, die das auch noch bei sehr geringer Entlohnung auf sich genommen haben, müssen wir daher besonders dankbar sein.
Das eben begonnene Jahr soll nun unter dem Vorzeichen unserer Reformatoren Martin Luther und Johannes Honterus stehen. Dazu haben wir ja in der Bildung gleich gute Anknüpfungspunkte. Hat doch Honterus unsere erste Schulordnung herausgegeben. Und in der Herausgabe von sehr beachteten Lehrbüchern hat er uns auch ein leuchtendes Beispiel vorgegeben. Dafür könnten wir jetzt gut wieder einen Honterus gebrauchen!
Durch den Wandkalender und den Monatskalender weist unsere Kirche bereits auf die Reformatoren hin, weitere entsprechende Veranstaltungen werden folgen.
Angeregt von dem Wandkalender bin ich auch auf die Suche nach sichtbaren Zeichen der Reformation im Raum unserer Kirche gegangen. Dabei stieß ich auf verschiedene Honterus- und Luther-Darstellungen oder die Lutherrose, besonders häufig aber auf die erste Verszeile aus Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ in Stickereien, auf Paramenten, als Aufschriften auf Kirchen, Toren oder Glocken von Suceava im Norden bis Craiova im Süden oder Semlak im Westen. Ich fand den Text des Liedes aber auch in dem ältesten Gesangbuch unserer Kirche aus Kronstadt von 1556 und mit Notenschrift in der ältesten Notensammlung, im Kronstädter Kantional aus dem 17. Jahrhundert.
Bei dieser Suche stieß ich auch auf eine ganz alte wertvolle Bibel aus dem Besitz der Kirchengemeinde Scharosch bei Fogarasch, die mir Kurator Wilhelm Bertleff bei einem meiner Besuche bei ihm gezeigt hatte, und auf die er wie auf sein Augenlicht sorgte: Es ist eine Lutherbibel, die in Wittemberg 1541 von Hans Lufft gedruckt wurde. Kurator Bertleff ist im vergangenen Sommer bald nach seinem 75. Geburtstag in Scharosch verstorben und die Bibel inzwischen beim Bezirk in Kronstadt sichergestellt worden.
Aus dem handschriftlichen Dankbrief auf das Gratulationsschreiben des Landeskonsistoriums zu seinem 75. Geburtstag, kann man sehen, dass dieser gottesfürchtige Kurator wusste, was auch in dieser wertvollen Bibel steht. Da es mich sehr beeindruckt hat, möchte ich dieses Schreiben hier vorlesen:
Ehrwürdige Herren des Landeskonsistoriums,
Ich danke Ihnen von Herzen für den Brief und den Inhalt guter Wünsche zum Anlass meines 75-ten erfüllten Lebensjahres.
Ich gedenke immer an die Worte der Heiligen Schrift. Mein Konfirmationsspruch Jes.54,10, und beim Bibellesen noch in meinen jungen Jahren ist mir der 23. Psalm ein treuer Begleiter meines Lebens., anschließend auch Psalm 51, wodurch ich hoffe, dass mir alle meine Sünden vergeben sind.
Auch jetzt in der Passionszeit gedenke ich an das Leiden und Sterben unseres Heilandes Jesus Christus, welcher sich geopfert hat am Kreuz auf Golgatha um uns zu retten vieler. Wohl denen, die dieses Opfer mit Ernst in Anspruch nehmen, denn der Herr wird sehr bald kommen und seine Gemeinde heimholen. Sein Name sei gepriesen in alle Ewigkeit.
Im Mai sind 20 Jahre wo ich dies Amt übernommen habe, weil der größte Teil unserer Gemeinde auswanderten, denn in dieser Periode sind 58 Glieder unserer Gemeinde hier verstorben. Heute sind wir noch 10 per Tabel, davon 2 im Altenheim, 1 alte Frau in Fogarasch wohnhaft, zwei sind rumänisch sprechend, und so sind wir nur noch 5 Seelen.
Es ist mir ja bekannt, dass viele Gemeinden in solchen Situationen sind, was nun in Zukunft noch sein wird, weiß nur der Herr allein.
Ich wünsche Ihnen noch Gottes reichen Segen. „Maranatta“ komme bald Herr Jesus. Amen.
An diesem Bekennerschreiben eines unserer Kuratoren, das auch als Zeitdokument gewertet werden kann, hätten wohl auch unsere Reformatoren ihre Freude gehabt.
Und wir als Evangelische Kirche A.B. in Rumänien dürfen für das angebrochene Jahr 2016 auch um die Gnade und den Frieden bitten, die uns in seinem Konfirmationsspruch ebenfalls zugesagt sind:
„Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“
Hochwürdiger Herr Bischof, in diesem Sinn möchte ich mich bei Ihnen im Namen des Landeskonsistoriums und aller Kuratoren für Ihren vollen Einsatz zum Wohle unserer Kirche im abgelaufenen Jahr bedanken. Ich tue das auch im Namen aller Mitarbeiter dieses Hauses und der anderen Einrichtungen unserer Kirche in Hermannstadt, Michelsberg, Wolkendorf und Schweischer.
Wir alle wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein gesundes und gesegnetes Neues Jahr 2016!
Prof. Friedrich Philippi, Landeskirchenkurator