Sachsentreffen der Superlative in Hermannstadt
Über zehntausend Besucherinnen und Besucher ließen sich selbst durch die sengende Hitze nicht davon abhalten, am Großen Sachsentreffen von 4. bis 6. August 2017 in Hermannstadt teilzunehmen. Die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien (EKR) öffnete für Interessierte das Bischofspalais und lud zu zwei Tagen der Offenen Türen.
Unter dem Titel "In der Welt zu Hause, in Siebenbürgen daheim" luden das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) und der deutsche Bundesverband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften e. V. zum Sachsentreffen 2017 nach Hermannstadt. Noch nie hat bisher ein so großes, internationales Sachsentreffen stattgefunden. Neben Trachtenaufmärschen, Tanzveranstaltungen, Festreden, gemütlichem Beisammensein, Wiedersehen mit alten Bekannten, Buchpräsentationen und Ausstellungseröffnungen konnten die Besucher auch die einmalige Gelegenheit nutzen, um an zwei Tagen der Offenen Türen der EKR im Bischofspalais einen Besuch abstatten.
Lebendige Kirche überall
Die EKR spielte als offizielle Partnerorganisation der Veranstalter und als die Kirche der Siebenbürger Sachsen eine zentrale Rolle: Auf dem Großen Ring, wo neben Verpflegung und viel Musik auch allerlei Siebenbürgen-Souvenirs erstanden werden konnten, hatte auch die Stiftung Kirchenburgen einen sehr gut besuchten Stand. Das Friedrich-Teutsch-Haus war ebenso wie die Johanniskirche Austragungsort von Kulturveranstaltungen. Stadtpfarrer i. R. Wolfgang Rehner wurde vom DFDS und der EKR mit der Honterusmedaille ausgezeichnet. Bischof Reinhart Guib ging in seinen Reden am Großen Ring (Grußwort) sowie im Thaliasaal (Festrede) auf die Perspektiven ein, die sich heute für heimatverbundene Sachsen, die im Ausland leben, in Siebenbürgen wieder eröffnen. Im Anschluss an diesen Text wird die vielbeachtete Predigt des Bischofs vom Gottesdienst am 6. August widergegeben.
Mit dem Ausklang des Sachsentreffen im Brukenthal'schen Sommersitz in Freck nahmen die meisten Gäste nur vorübergehend Abschied, denn die Saison der Heimattreffen in den Dörfern und Städten Siebenbürgens hat gerade erst begonnen und wird in den kommenden Tagen und Wochen noch eine Reihe unvergesslicher Momente und fruchtbarer Begegnungen hervorbringen.
Die Veranstalter (DFDS und HOG-Bundesverband) sowie die zahlreichen Partnerorganisationen, speziell die unermüdliche Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland, haben eine professionell organisierte Großveranstaltung umgesetzt, die vielen Besucherinnen und Besucher Lust auf ein baldiges erneutes "Großes Sachsentreffen" bereitet hat.
Siehe auch: Bilderreihe "Sachsentreffen 2017"
Predigt des Bischofs (6. August 2017)
„Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!”
Jes.2, 1-5 (III)
Gnade sei mit euch und Friede, von dem der da ist und der da war und der da kommt!
Liebe Sachsengemeinde! Liebe Festgemeinde! Liebe Schwestern und Brüder!
Welch ein Geschenk! Drei volle Tage zusammen! Zusammen feiern. Zusammen begegnen. Zusammen sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. Zusammen tanzen, musizieren, reden, vorstellen, werben, erstehen, organisieren. Zusammen die Zeit vergessen. Zusammen was uns trennt zurücklassen. Zusammen Licht tanken. Zusammen unter der brennenden Sonne schwitzen und seufzen. Zusammen sich aneinander freuen. Für dies Zusammensein dürfen wir nun heute zusammen danken und Gott loben. Zur Ruhe kommen. Nun will der Herr uns das Zusammensein mit ihm schenken. Zu uns sprechen. Wie vor 500 Jahren zu Martin Luther.
Der hörte mit offenem Herzen, mit offenen Sinnen. Die Botschaft vom Gott der es gut mit uns meint. Die Nachricht, dass Gott uns liebt, so wie wir sind. Nicht unsere Leistung zählt bei ihm. Unsere Offenheit. Unser Kommen zu ihm. Unsere Bereitschaft. Sich erfüllen zu lassen. Von dem was er uns bereithält. Heute mit der Pfingstkantate und dem Geschenk des Geistes Gottes. Mit dem Lob und Dank für Gott für diese wunderbaren Tage des Zusammenseins. Mit der innigsten Gemeinschaft die wir mit ihm und den Schwestern und Brüder haben können im Heiligen Abendmahl. Mit seinem Wort das uns hilft weiter zu sehen. Die Zeichen der Zeit verstehen zu lernen.
„In der Welt zu Hause, in Siebenbürgen daheim“. Ein Motto mit zwei zeichenhaften Aussagen. Die einander auszuschließen scheinen. Welche das Spannungsfeld aufzeigen in dem wir heute leben. In der wirklichen und der virtuellen Welt. In der natürlichen und der idealisierten Heimat. In der Welt mit dem Haus Europa und mit dem Heim in Siebenbürgen.
Wir haben die gesteigerte Mobilität in Europa. Die Entwicklung der Informationstechnologie weltweit nimmt zu. Der Gemeinschaftsbedarf in Siebenbürgen und unter den Siebenbürger Sachsen ist groß. Mobilität, Information, Gemeinschaft bestimmen unser Leben. Das erleben wir diese Tage. Diese drei zusammengenommen lösen das Spannungsfeld auf. Sie machens möglich: In der Welt zu Hause zu sein und in Siebenbürgen daheim. Die Frage ist brauchen wir Gott dafür?
Wo nach Gott ernstlich gefragt wird, da gibt er sich zu erkennen. Er gibt zu verstehen was dran ist. Damals wie heute.
Das gehörte Predigtwort stammt etwa aus dem Jahr 730 v. Chr. Voran geht die Klage über das sich von Gott entfernende, gleichgültig gewordene Volk Israel. Der Weckruf verhallt im Nichts. Gott hält Gericht zur Läuterung seines Volkes. Daraufhin hat der Prophet Jesaja eine Vision. Sie spricht von der Zukunft. Vom heil werden der Beziehungen zueinander und zu Gott. Vom Frieden und Heil die von Gottes neuem Tempelberg ausgehen.
Dieses Wort gilt auch uns heute, zum großen Sachsentreffen 2017 in Hermannstadt. Säkularisation, Individualisierung und Unabhängigkeitsdrang nehmen stets zu in der Welt, in Europa, auch in Siebenbürgen. Das Fragen nach Gott ist nicht mehr selbstverständlich. Auch und gerade in einer Volkskirche ist die Gefahr gegeben, dass nur noch das "Völkische" wichtig wird. Kirche und Gott werden belanglos, zum schmückenden Beiwerk, bis sie ganz verschwinden aus dem Alltag. Eine Welt, ein Europa, ein Rumänien das aus den Fugen geraten ist wird sichtbar. Es gibt nur wenige Lichtblicke. Es kann heilsam sein für Siebenbürgen und Rumänien, für Europa, für die Welt, neu nach Gott zu fragen. Er bringt Licht in die Dunkelheit dieser Welt. Er will das Leben, nicht den Tod. Mit dem Leben und Glauben den wir teilen schenkt er uns das Licht. Er will uns segnen, nicht verfluchen. Er möchte für uns Siebenbürger Sachsen, für alle Völker nicht wieder Krieg und Deportation, noch Flucht oder Auswanderung. Er hat Gedanken des Friedens mit uns. Den Frieden, den die Welt nie geben kann. Der aus dem Vertrauen kommt: Ich bin geliebt. Ich bin erlöst. Ich bin befreit. Das Kreuz Christi macht dies alles wahr. Luther hat diese ihn erneuernde Vision vor 500 Jahren herbeigesehnt. Sie ist Wirklichkeit geworden. Er hat davon weitererzählt. Die Zeichen der Zeit erkannt. Die Welt verändert. Wir sprechen heute noch davon.
Volk und Kirche, Leben und Glauben gehören zusammen wie die Glieder an einem Leib. Wo eines fehlt oder krankt leidet das andere mit. Jahrzehnte waren nötig um die Wunden zwischen Gehen und Bleiben zu schließen. Frieden ist zwischen uns eingekehrt. Die Beziehungen zwischen uns Siebenbürger Sachsen hat nicht die Zeit geheilt. Es ist Gott am Werk. Er hat unaufhörlich unter uns gewirkt, seit 1990. Durch viele Begegnungen, Treffen, Aktionen, Projekte untereinander. Von einem gespaltenen Volk zwischen Ost und West sind wir zu einer grenzübergreifenden Gemeinschaft in Europa und der Welt gewachsen. Dies Geschenk Gottes gilt es zu bewahren. Wir dürfen getrost und vergnügt vom Segen weitererzählen. Unseren Kindern. In Siebenbürgen. In Europa. In der Welt.
Diese Gemeinschaft braucht auch Tiefe. Unser Bekenntnis zu Gott ist gefragt. Wer sich zu ihm bekennt ist nie allein. In Siebenbürgen nicht. In Europa nicht. In der Welt nicht. Gott ist bei uns. Es gilt die Zeichen der Zeit wahrzunehmen: Die Volkskirche der Siebenbürger Sachsen lebt. Nimmt neue Mitglieder auf, aus allen Völkern. Sie freut sich über jeden der seine Verbundenheit mit der Mitgliedschaft bekräftigt. Sie baut Gemeinde auf. Sie gründet Gemeindeverbände. Wirkt solidarisch mit den Bedürftigen und nachhaltig mit dem anvertrauten Kulturerbe. Sie ist dankbar allen, die sich bisher eingesetzt haben. Sie braucht weitere Förderer, Freunde und Partner. Warum nicht ihr?
Durch euer Kommen habt ihr euch zur Heimat Siebenbürgen bekannt. Es ist aber noch mehr möglich. Es gilt die Zeichen der Zeit zu erkennen. Der Herr rief einen anderen Propheten Jeremia auf, einen Acker zu kaufen. Er verhieß sogar: „Man wird wieder Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Lande.“ Die Zeit ist gekommen das Land des Segens wieder zum Blühen zu bringen. Kauft Häuser, Äcker, Weinberge! Gott hat mit Siebenbürgen noch was vor!
So bitte ich den Gott der uns zusammengeführt hat und zusammenhält seine Zusage, die er in der Jahreslosung für 2017 ausspricht, an jedem unter uns und gemeinsam für alle wahr werden zu lassen: “Ich schenke euch ein neues Herz und legen einen neuen Geist in euch“. Lassen wir das Licht leuchten, liebe Kinder des Lichtes. Damit unsere Beziehung zu Gott zunimmt. Die Verbindung zur Heimatkirche wächst. Das Haus Europa gefestigt wird. Siebenbürgen in unseren Herzen lebt.
So segne der Herr unser jetziges und zukünftiges Zusammensein.
Amen.