Was haben Sie mitgenommen, Frau Pfarrerin?


Pfarrerin Agnes Schmidt-Köber im Mai 2024 (Bild: Privat)

Sie wurde in Rumänien ordiniert, hat als Pfarrerin gearbeitet, ist dann in ein anderes Land umgezogen. Agnes Schmidt-Köber erzählt was  ihr kostbar geworden ist und was sie auf ihren Lebensweg mitgenommen hat. Sie tut das anlässlich der 30 Jahre Ordination von Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien.

Die Anfänge: Nach der Wende war Vieles möglich geworden, z.B. dass Frauen zum Theologie-Studium wieder zugelassen wurden. Das Interesse an Theologie und Kirche war von Klein auf vorhanden, denn ich bin im Pfarrhaus aufgewachsen. Kirche und Glauben war ein sicherer Hort, an dem man Kraft und Orientierung, für die vielfältigen Herausforderungen des Lebens, geschenkt bekommt.

Mein Studium begann am Theologischen Institut und führte nach Deutschland, wo ich lange studierte. Die Sehnsucht nach meiner Heimat war in all den Jahren groß. Als sich die Möglichkeit bot, wieder zurückzukehren, ergriff ich sie. Es folgte das Vikariat in Heltau und im Bezirk Hermannstadt. Der Höhepunkt dieses Werdegangs war meine Ordination am 9. Mai 2009 in Groß-Alisch.

Zu meinem Einsatzgebiet als junge Pfarrerin gehörten: Dunesdorf, wo ich wohnte, Groß-Alisch, Rauthal, Neudorf; später noch Irmesch, Reußdorf und Waldhütten.

Hinzu kam die sporadische Mitbetreuung der Gemeinden in „Mesopotamien“: Klein-Alisch, Rode und Klein-Lasseln sowie Einsätze im Reener Ländchen und in Nordsiebenbürgen. 

Mein Anliegen war und ist, Menschen zu ermutigen und ihnen in Erinnerung zu rufen, wie wichtig und wertvoll sie ihrem Schöpfer sind. Ich habe mein Möglichstes getan, Menschen zusammen zu bringen und ich freue mich auch heute noch, dass sie sich einladen ließen und es viele wunderbare Begegnungen gab. Gemeinschaft erleben macht Menschen Mut, es entstehen neue Ideen und Möglichkeiten. Sie stärkt und erfreut.

Ich habe mich von Gott getragen gefühlt, auch vom Vertrauen und der Zuneigung meiner Gemeinden.

Es gab verschiedene externe Schwierigkeiten, die irgendwann überhandnahmen und mich als Privatperson zu ersticken drohten. So packte ich schweren Herzens meine Sachen und zog nach Deutschland.

Nach einer Familienpause ging es zurück ins Pfarramt. Heute bin ich Landpfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, in mehreren Ortsteilen von Runkel.

Was habe ich aus Siebenbürgen an materiellen Gütern mitgenommen: das Gesangbuch, das Orgelbuch, die Siebenbürgischen Agenden, ein persönliches Gottesdienstprotokoll, Bilder der Kirchen, in denen ich Gottesdienste gefeiert habe, Tonaufzeichnungen einiger Glocken.

Das geistige Gepäck ist wesentlich umfangreicher. Während meiner siebenbürgischen Pfarrerjahren gab es viele berührende Begegnungen, die ich in meiner heutigen Praxis nicht missen möchte, die sowohl auf meiner persönlichen geistlichen Ebene als auch auf der beruflichen Ebene nachwirken. Ein Beispiel: Ich werde nie vergessen, wie eine hochbetagte Frau in einer schweren Stunde ihres Lebens mir mit fester Stimme und Tränen in den Augen sagte: „Frau Forrer, der Harrgottvuater mocht nichen Fehler und hia verlet es näkest - Frau Pfarrer, der Herrgottvater/himmlische Vater macht keine Fehler und er verläßt uns nie“.  Da wurde es konkret: Gott ist nahe und Gott ist fern. Gott läßt sich nicht von uns Menschen einfangen, aber auf vielerlei Weise erfahren. Gott schenkt uns das Leben und unsere Einzigartigkeit und Gott begrenzt sowohl unsere Lebenszeit als auch unsere Fähigkeiten.

Die Erfahrung des „Kleiner- bzw. Wenigerwerdens“, die Entwicklung von der Volks- zur Diasporakirche, habe ich bereits im Teenageralter gemacht. Später als erwachsene Frau gestalten zu können, was daraus geworden war, war und ist mir sehr, sehr wichtig.

Meine Siebenbürgischen Erfahrungen helfen mir, die notwendig gewordenen Reformprozesse der EKD gelassen anzunehmen, Chancen zu sehen, die den Fokus kirchlichen Handelns wieder mehr auf den Inhalt legen. Die Chance, Ballast abzulegen, Neues auszuprobieren. Im Rahmen einer Veranstaltung über die Zukunft des Pfarrdienstes brachte eine Pröpstin das „Siebenbürger Modell“ ins Gespräch …

Zwischenbilanz: Mit Freude und Dankbarkeit blicke ich auf meine Anfänge in Siebenbürgen, sie haben wesentlich zu dem beigetragen, was ich heute als Pfarrerin bin. Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Kirche ist nicht nur Organisation, die gestaltet werden kann und muss, sondern Leib Christi – und der lebt und wandelt sich, durch das Wirken des Heiligen Geistes.

Reihe "Was haben Sie mitgenommen, Frau Pfarrerin?" von Elfriede Dörr