Was haben Sie mitgenommen, Frau Pfarrerin?


Pfarrerin Dr. Marion Werner (Bild: Privat)

Sie wurde in Rumänien ordiniert, hat als Pfarrerin gearbeitet, ist dann in ein anderes Land umgezogen. Marion Werner erzählt was  ihr kostbar geworden ist und was sie auf ihren Lebensweg mitgenommen hat. Sie tut das anlässlich der 30 Jahre Ordination von Frauen in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien.

Es war in meinem 3. oder 4 Studienjahr, als ich merkte, am Theologischen Institut werden wir zu «Pfarrern» ausgebildet. Das war bis dahin für viele Jahrgänge richtig und gut gewesen. Ein «Pfarrer» wollte ich aber nicht werden. Ich gehörte zu dem dritten Jahrgang von Frauen an der Fakultät, daher war mir klar, ich muss mich selbst auf die Suche danach machen, was eine «Pfarrerin» ist, denn das wollte ich gerne sein. Dabei fand ich in den damaligen Studentinnen gute Weggefährtinnen, deren Freundschaft ich bis heute schätze. Ausdruck dieser Suche sind für mich die ersten Stolen, die in Heltau gewebt worden sind. Diese Stolen in den liturgischen Farben rot, grün, weiss und lila habe ich mitgenommen und nutze sie heute noch. Sie erinnern mich an meine Suche und auch daran, wie wichtig es mir immer gewesen ist, in meinem Tun und Reden authentisch zu sein und theologisch fundiert.

Ordiniert wurde ich am 6.  Dezember 2003 in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt. Zwei Dinge erinnere ich von meiner Ordination. Einmal wurde mir gesagt, was für ein grosser Schritt das für die Kirche gewesen sei. Es hiess «seit Jahrhunderten sei niemand mehr in der Schwarzen Kirche ordiniert worden» und, dass mit meiner Ordination auch ein «Zeichen der Erneuerung und des Generationswechsels» gesetzt wurde. Diese Worte standen dann auch in den Kirchlichen Blättern, in dem Artikel «Licht in der Schwarzen Kirche». Das Licht ist meine zweite Erinnerung. Es war ein bewölkter Tag und die Schwarze Kirche nicht besonders hell. Während meines Gebetes bahnten sich zaghaft Sonnenstrahlen durch die Wolken und das Chorfenster der Kirche. Ich fühlte deren Licht und Wärme vor dem Altar stehend. Das hat mich sehr berührt und ist mir bis heute kostbar. Es war damals mein Gebet, in meinem Leben und Wirken für Gott durchlässig zu sein, und ist es auch heute noch.

Ich durfte mit Stadtpfarrer Christian Plajer in der Honterusgemeinde als Pfarrteam zusammenarbeiten und wir entdeckten rasch, wie unsere unterschiedlichen Begabungen sich ergänzten und zum Wohle der Gemeinde eingesetzt werden konnten. Und ich bin bis heute dankbar, dass sich Pfarrer Plajer und die Honterusgemeinde auf das «Experiment Pfarrerin», in einer mir gegenüber so entgegenkommenden Weise, eingelassen haben.

Das war für mich gar nicht selbstverständlich gewesen. Frauenordination war zwar 1994 beschlossen worden, aber viele der Pfarrer damals haben sich für mehrere Jahre sehr gegen die Frauenordination gewehrt. Ich sass in mehreren Sitzungen und hörte wenig theologische Argumente aber viele verletzende Worte, so dass ich irgendwann das Gefühl hatte, meine Kirche sei mir sehr fremd geworden.

Vor diesem Hintergrund war der Vertrauensvorschuss, den ich in Kronstadt erlebte, die Offenheit für meine Ideen und auch die Unterstützung dafür sehr wertvoll. Auch meine Dissertation konnte ich hier fertig schreiben. Ich könnte heute nicht genau sagen, was ich mitgenommen bzw. was ich hinterlassen habe. Es war und ist mir wichtig nahe bei Gott und nahe bei den Menschen zu sein. Die offene, herzliche und vertrauensvolle Begegnung mit Menschen war und ist mir wichtig.

Der Spruch von Martin Buber: «Alles wirkliche Leben ist Begegnung» hängt seit damals im Gemeinderaum in Kronstadt und begleitet mich immer noch.
Im Jahr 2007 führte mich mein Weg durch Heirat aus Kronstadt über Nürnberg in die Schweiz. Heute arbeite ich als Pfarrerin in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Zürich und Nordostschweiz und bin Kirchenrätin der Evangelischen Kantonalkirche Schwyz, verantwortlich für die Bereiche Gemeindeentwicklung, Diakonie, Ökumene und Mission.

Reihe "Was haben Sie mitgenommen, Frau Pfarrerin?" von Elfriede Dörr