Was haben Sie mitgenommen, Frau Pfarrerin?


Pfarrerin Astrid Hofmann (Bild: zVg)

Sie wurde in Rumänien ordiniert, hat als Pfarrerin gearbeitet, ist dann in ein anderes Land umgezogen. Astrid Hofmann erzählt was  ihr kostbar geworden ist und was sie auf ihren Lebensweg mitgenommen hat. Sie tut das anlässlich der 30 Jahre Ordination von Frauen in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien.

Aus der kleinen Universitätsstadt Greifswald kommend, hatte ich im Jahr 1993 die Möglichkeit im Rahmen eines Studienaustausches ein Semester am theologischen Institut Hermannstadt zu studieren. Den Studienaustausch zwischen Hermannstadt und Greifswald gab es, weil Professor Hans Klein an der theologischen Fakultät in Greifswald zu Gast, einen Vortrag hielt und uns Studierende einlud, Hermannstadt zu besuchen.

In Hermannstadt angekommen, wurde unter uns Studierenden nahezu täglich über die Frauenordination diskutiert. Das erschien mir damals merkwürdig, da ich in der DDR aufgewachsen, Gleichberechtigung für selbstverständlich erachtete. Zu dieser Zeit nutzten mehrere siebenbürgische Frauen an der kleinen Fakultät in Hermannstadt, die damals noch zum protestantisch-theologischen Institut Klausenburg gehörte, die Chance auf theologische Bildung.

Nach Deutschland zurückgekehrt hatte sich das Blatt inzwischen gewendet. Es gab zu viele Studierende der Theologie und gleichzeitig wurden Pfarrstellen abgebaut. Keine Frau aus meinem Studienjahr konnte das Vikariat antreten. Es wurden nur Männer übernommen. Von dem Gedanken meinen Beruf auszuüben, musste ich mich verabschieden.   

Erst viele Jahre später nahm ich ihn wieder auf und mein Weg führte mich 2018 noch einmal nach Hermannstadt, um mein Vikariat zu absolvieren. Mein Ziel war es, den Entwicklungsraum, den das Vikariat bereitet, zu durchschreiten und das erworbene theologische Wissen für die Ausübung des Berufes fruchtbar werden zu lassen.  Mir wurde ein modernes Vikariat zuteil mit hohem Standard und Betreuungsschlüssel. Ich bin dankbar für die gute Ausbildung.

Während meiner Zeit in Hermannstadt konnte ich viele Kontakte knüpfen. Dabei schätze ich die guten Gedanken und die Kompetenz meiner siebenbürgischen Kolleginnen. Sie waren immer meine ersten Ansprechpartnerinnen.

Eingesetzt wurde ich in Agnetheln und ordiniert in Probstdorf 2021. Zu meinem Pfarramt gehörten die Dörfer Abtsdorf, Alzen, Bürgesch, Henndorf, Hundertbücheln, Jakobsdorf, Kirchberg, Leschkirch, Marpod, Mergeln, Neithausen, Neustadt, Probstdorf, Retersdorf, Roseln, Schönberg, Werd und Zied. Jedes Dorf hat eine eigene besondere Atmosphäre. Die Menschen dort sind mir ans Herz gewachsen und ich freue mich, ihnen begegnet zu sein.

Ich denke an die Heditante in Schönberg, der ich die Winterhilfe brachte und die so schwerhörig war, dass ich mich am Mobiltelefon in allen zur Verfügung stehenden Sprachen und Lautstärken versuchte, bis sie aus dem Fenster guckte und sich dann so freute.

Gerne erinnere ich mich auch an die gute Zusammenarbeit mit den orthodoxen sowie mit dem reformierten Kollegen. Vor den Beerdigungen, auf denen ich auch rumänisch sprechen sollte, war mir etwas mulmig, da ich Bedenken hatte, jemanden mit der falschen Aussprache eines Wortes zum Lachen zu bringen. Wenn ein orthodoxer Pfarrer dabei war, hielt ich ihm meinen Hefter hin. Dann las er den rumänischen Teil der Predigt und war mir hinterher dankbar, dass ich ihn mit einbezogen hatte. Ökumene kann sehr unkompliziert sein und die Frauenordination wurde dabei nicht in Frage gestellt.

Der Abschied von den Menschen in Siebenbürgen fiel mir nicht leicht. Ein älterer Herr aus Kirchberg kam jeden Sonntag mit einem Fahrer zu den Gottesdiensten nach Agnetheln. Zum Abschied hatte er Tränen in den Augen und schenkte mir das Gesangbuch seiner Großmutter. Mitgenommen habe ich das Gesangbuch und eine Tüte Maismehl, aber vor allem die Freude an der Arbeit mit Menschen in der Diaspora und die Freude an der Vermittlung von religiösen Inhalten.

Inzwischen bin ich, in Deutschland, einer Einladung eines Siebenbürger Sachsen folgend, Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. 

Der Schritt, dass Frauen Pfarrerinnen werden dürfen, wurde vor 30 Jahren gegangen und seitdem versucht die Frauenordination in Siebenbürgen Fuß zu fassen. Von Gleichberechtigung sind wir leider noch entfernt, solange es Frauen schwer gemacht wird, ihren Beruf auszuüben.  Dabei waren Frauen, die ersten am leeren Grab Jesu. Mit ihnen sind wir seitdem auf dem richtigen Weg und ich vertraue darauf, dass wir die Richtung beibehalten und Gott uns in seinem Blick behält, wenn wir gemeinsam unser Glaubensleben gestalten.

Reihe "Was haben Sie mitgenommen, Frau Pfarrerin?" von Elfriede Dörr