Wege entstehen im Gehen


Wege entstehen im Gehen - Festschrift zu 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien

Eine Rezension über die Festschrift zu 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (Dr. Elfriede Dörr), von Andreas H. Apelt

Was heute für die Evangelischen Kirchen selbstverständlich ist, war über Jahrhunderte hinweg keinesfalls  selbstverständlich: die Ordination, mithin die Berufung von Frauen in den Pfarrdienst. Die Bekleidung eines geistlichen Amtes und die damit zusammenhängende kirchliche Weihe blieb lange Zeit Männern vorbehalten. Dieses Privileg aufzugeben, bedeutete für die männlich geprägte „Kirchenwelt“ Machtverlust und das Abschiednehmen von überkommenen Traditionen.  Entsprechend liefen die evangelischen Kirchen den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher. Unterstützt von den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen schien ihnen diese Form der Gleichberechtigung der Geschlechter ein Dorn im Auge. Da machte auch die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien keine Ausnahme. Immerhin kann sie inzwischen auf 30 Jahre Ordination von Frauen schauen, was wiederum eine Würdigung verdient. Zumal im Lutherischen Weltbund noch immer jede fünfte Mitgliedskirche Frauen die Weihe verweigert.

Dieses 30-jährige Jubiläum ist für Elfriede Dörr, selbst Pfarrerin aus Hermannstadt und Verantwortliche für die ökumenischen Beziehungen der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, ein gebührender Anlass, sich dem Thema mit einer Festschrift zu widmen. Herausgekommen ist ein beachtenswertes Buch, das insbesondere durch die Gespräche mit den unmittelbar betroffenen Zeitzeuginnen oder deren Selbstdarstellungen einen Eindruck vom engagierten Streiten der Frauen für ihre Gleichberechtigung vermittelt.

So würdigt die Herausgeberin im ersten Teil des Buches jene Frauen, denen zwar ein Theologiestudium möglich ist (und manchmal nicht einmal dies), aber eine Berufung versagt bleibt. Im kommunistisch regierten Rumänien erzeugten bereits in den 1950-er Jahren profane staatliche Verordnungen die notwendige Willkür. Wie schmerzhaft das Versagen beruflicher Perspektiven für die betreffenden Frauen war, zeigen die Beispiele von Marlene Klein und Christl Schullerus. Beide jungen Frauen fühlten sich für den Dienst als Pfarrerin berufen. Während Klein das 2. Theologische Examen verwehrt wird, endet für Schullerus der Traum vom Pfarrberuf durch eine Verordnung des Kultusdepartements kurz vor den Abschlussprüfungen.

Doch nicht allein staatliche Stellen verhinderten die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Auch die evangelischen Gemeinden selbst taten sich schwer. Bezeichnend dafür ist ein Ereignis Mitte der 1970-er Jahre. Dabei wandten sich drei lutherische Frauen mit der Bitte an die Kirchenleitung, ihnen ein Theologiestudium zu ermöglichen. Unsicher, wie sie mit dem Ansinnen umgehen sollten, fragten die Kirchenoberen in den Gemeinden nach, wer bereit sei, eine Pfarrerin aufzunehmen. Allein die Kirchgemeinde in Zeiden erklärte sich dazu bereit.

Die Kehrtwende kam vor 30 Jahren mit dem Beschluss, Frauen zum ordinierten Amt zuzulassen. Wie das Wirken von Pfarrerinnen geworden ist und vor allem wie es heute aussieht, das erfährt man in den Geschichten und Porträts, denen ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Es gibt einen Einblick in den gemeindlichen Alltag einer Kirche, die große Veränderungen durchmachen musste. Es sind Pfarrerinnen, die entgegen dem Auswanderungszug hier geblieben sind.  Und es sind Pfarrerinnen, die hierhergezogen sind, und ihren Wirkungskreis hier sehen.

Sehr hilfreich im Umgang mit dem Thema Ordination ist ein Blick in die rumänische und globale Kirchenlandschaft. Diesen leistet exemplarisch der zweite Hauptteil des Buches. Schnell wird klar, dass die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in geistlichen Diensten nicht nur die einheimischen Gemüter bewegt. Selbst in den evangelischen Kirchen in Norwegen (Ordination seit 1967), Brasilien (seit 1982), Taiwan (nur in drei von sechs lutherischen Kirchen ist eine Ordination von Frauen möglich), Südafrika (seit 1997) und den USA (seit 1970) wird dies als bedeutendes Thema anerkannt. Zum Vergleich: in Deutschland wurden die ersten Frauen 1943 ordiniert, nur blieben sie für viele Jahre auch die einzigen.

Geradezu austauschbar sind die Erfahrungen der Betroffenen, zuallererst begleitet von Vorurteilen, Misstrauen und Ablehnungen. Und zuweilen auch Rückschritten, wie das Beispiel Lettland zeigt, wo ausgerechnet nach der Revolution von 1989/90 die Ordination von Frauen ein Ende findet.

Insgesamt gesehen, ist die Entwicklung hin zu mehr Gleichberechtigung in kirchlichen Strukturen nicht aufzuhalten. Das beweisen auch die Länderberichte. Wie segensreich ohnehin das Wirken von Frauen ist, zeigen die Berufsbilder von Theologinnen, Diakoninnen, Gemeindepädagoginnen oder Vikarinnen. Auch diese Berufsgruppen finden einen gebührenden Platz in der Festschrift.

Kurzum, die Festschrift hat alles, was man braucht, um sich festzulesen und immer wieder Neues und Interessantes zu entdecken. Ob dazu die Autorenschaft ausnahmslos weiblich sein musste, sei dahingestellt. Auch ein verantwortungsvoll agierender Bischof, Rektor oder Dekan wird sich dem Thema nicht verschließen. Das allerdings schmälert keinesfalls das verdienstvolle Wirken der Autorinnen und der Herausgeberin, die ein empfehlenswertes Werk vorlegt.
 
Andreas Apelt ist promovierter Politikwissenschaftler, Schriftsteller, Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur Zeit und Kulturgeschichte sowie zu gesellschaftspolitischen Themen. Er ist durch jahrelange Projekttätigkeit der politischen und kulturellen Bildungsarbeit in Rumänien, den Menschen und dem Land verbunden.