Wir tragen unsere Freude im Gotteslob


Dr. András Bándi

Für den 11. Sonntag nach Trinitatis, den 15. Ausgust 2021, hat uns der Kirchenhistoriker Dr. András Bándi ein Geistliches Wort über Sacharja 8,20-23 zur Verfügung gestellt. Aus technischen Gründen veröffentlichen wir diesen Beitrag bereits vorzeitig.

So spricht der Herr Zebaoth: Es werden noch Völker kommen und Bürger vieler Städte, und die Bürger der einen Stadt werden zur andern gehen und sagen: Lasst uns gehen, den Herrn anzuflehen und zu suchen den Herrn Zebaoth; wir wollen mit euch gehen. So werden viele Völker und mächtige Nationen kommen, den Herrn Zebaoth in Jerusalem zu suchen und den Herrn anzuflehen. So spricht der Herr Zebaoth: Zu jener Zeit werden zehn Männer aus allen Sprachen der Völker einen jüdischen Mann beim Zipfel seines Gewandes ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist. (Sacharja 8,20‒23)

“Nächstes Jahr in Jerusalem!” Dieser Satz wird von Juden weltweit an den Hochfesten des Pessachs und des Versöhnungstages gesprochen. Mit ihm drückt man die Hoffnung aus, dass man bald an dem Ort zusammenkommen sollte, an dem Frieden herrscht, an dem das Volk frei frei leben kann. Eine Begeisterung, deren Urpsrung in der Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft zu suchen ist, wie aber auch in der Tatsache, dass der Tempel wieder aufgebaut werden durfte.

Sacharja, obwohl ein Priester, ist doch kein Prophet dessen erstrangiges Ziel eine Theologie des Tempels wäre, sondern wie sein Name es auch besagt (der Herr hat sich erinnert, der Herr wird uns retten), ist er vielmehr ein Prophet der Aufarbeitung dessen was war und der Neugestaltung dessen, was da ist, in Hinblick auf das, was kommen wird. Sacharja sieht die Bestrafung des  Volkes als gerecht an, denn das Volk hat gesündigt. Dabei verwendet er ein starkes Bild: die Sünde des Volkes ist wie eine riesige und schwere Tonne, die mit einem schweren Deckel aus Blei versehen ist. In der Tonne saß in Sacharjas Vision eine Frau, die der Deuteengel ‒ denn im Unterschied zu anderen Propheten empfängt Sacharja die Visionen nicht von Gott selbst ‒ Gottlosigkeit nennt.

Als mein Sohn noch klein war, haben ihn Müllautos fasziniert, so wohnten wir einge Male der Mühlabfuhr in unserem Randviertel der touristischen Haupt- und Hermannstadt bei. Die Prozedur war alles andere als sauber und appetitlich, aber vom Gestank und dem Geklirr der unzähligen Blechdosen und Glasflaschen umgeben, verschwand Stück für Stück der Müll unserer Straße. Wenn der Abfall für die Sünden der Nachbarschaft stehen würde und das geschwinde Entleeren der Mülltonnen, deren Deckel, anders als in der Bibel, leicht und flexibel ist, für die Vergebung Gottes, dann verstehe ich Sacharjas Freude darüber, dass das Volk noch eine Chance auf Freude und Gedehein bekommen hat: “Ich will mich wieder Jerusalem zuwenden mit Barmherzigkeit, und mein Haus soll darin wieder aufgebaut werden, spricht der Herr Zebaoth ... Es sollen meine Städte wieder Überfluss haben an Gutem, und der Herr wird Zion wieder trösten und wird Jerusalem wieder erwählen.”

Gott vergibt, Er lässt das Zerstörte wieder aufbauen, es soll wieder alles Gut sein. Diese Botschaft entspricht übrigens auch unserer Grundstimmung in einem “gelockerten” Sommer, in dem wieder mehr läuft als im Sommer davor. Aber die Freude Jerusalems ist eine andere als unsere auf den Urlaub. Sie ist die Freude derer die auf Pilger warten, es wird nicht aus der Stadt an den Urlaubsort gefahren, sondern man sammelt alle ein, die sich daran freuen, dass Gott in ihrer Mitte wohnt: “Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr.”

Wir merken sofort: Jerusalem ist der Ort der Gegenwart Gottes, sobald Er da ist, ist was los. Menschen strömen dorthin, wo etwas los ist. Der Tourismus ist fest in der Konsumgesellschaft verankert. Wo etwas angeboten wird, finden sich Konsumenten ein. Aber Jerusalem ist eine heilige Attraktion. Unser Bibelwort verheisst Jerusalem eine zentrale Rolle innerhalb der Pilgerstâtten. Sacharja kann das Wachstum der Pilgerschaaren besser voraussehen als manche Tourismusfachleute unserer Zeit. Zuerst die Nachbarstädte, danach die fremden Nationen bekommen Wind von Gottes Anwesenheit in Jerusalem. Zum Schluß werden die jüdischen Männer von einer Überzahl an Fremden auf den Gassen aufgehalten und um das Recht der Mitpilgerschaft gebeten, sie wollen mit denen mitgehen, bei denen Gott ist.

Jeder Urlaub geht irgendwann zu Ende, die meisten Freuden halten nicht allzulange. Und irgendwann werden fremde Männer auf uns zukommen, die uns in allen Sprachen sagen werden, Gott ist mit ihnen, nicht mit uns. Männer, die die Zipfel ihrer Gewänder anbieten werden um uns zu zeigen, dass Gott nur mit ihnen ist, nur bei ihnen wohnt. Wir tragen aber unsere Freude nicht in den vergänglichen Gefäßen dieser Welt, sondern im Gotteslob und im innbrünstigen Gebet an unseren erlösenden Gott, durch Christus Jesus, unseren Herrn und Heiland, der auch diesmal, wie seit vielen Jahren, uns getragen und behütet hat, uns, wie einst Israel zu seinem Volk erwählt hat.