Wir wollen Gottes Werk unterstützen
Pavel Pokorný, warum findest Du als Synodal Senior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder es wichtig, dass Frauen Zugang haben zum ordinierten Amt?
Jeder Mensch ist einzigartig. Jeder Mensch erhält besondere Gaben von Gott. Und jeder Mensch bringt eine völlig einzigartige Wahrnehmung, Erfahrung und Perspektive des Glaubens in die menschliche Gemeinschaft ein. Jeder Mensch trägt seinen Teil zu Gottes fortlaufender wunderbarer Geschichte mit dieser Welt bei. Als Kirche haben wir das Privileg und die Aufgabe, an dieser Geschichte teilzuhaben, und für den Dienst der Kirche spielen ihre ordinierten Amtsträger eine wichtige Rolle. Wie würden wir Gottes Werk verarmen lassen, wenn wir einige begabte Menschen von diesem Dienst ausschließen würden, nur weil sie Frauen sind?! Wollen wir Gottes Werk auf jede erdenkliche Weise unterstützen oder wollen wir es behindern?
Ich habe oft die Gelegenheit, den Dienst von Predigern und Predigerinnen als Kollege zu beobachten. Ich arbeite mit ihnen zusammen. Ich organisiere gemeinsam Treffen, bereite Gottesdienste vor und beteilige mich mit ihnen an der Leitung der Kirche. Manchmal bin ich in der Rolle desjenigen, der ihren Dienst empfängt. Als Zuhörer der Predigt, als Empfänger der Eucharistie, als Teilnehmer an ihrer Lehre, als jemand, dem sie ihre seelsorgerliche Aufmerksamkeit schenken. Wenn ich zurückblicke und über meine Erfahrungen nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass es keine Rolle spielte, ob ich von einer Frau oder einem Mann bedient wurde. Das Geschlecht des Predigers spielte keine Rolle dabei, was mich wirklich tief berührte, was zu meiner Seele sprach, was mich ermutigte und stärkte. Ob weiblich oder männlich, beim Predigtdienst wird es immer um die Gabe Gottes, die Offenheit für den Heiligen Geist, die Wahrhaftigkeit des Glaubens, die Kommunikation und das Wissen um das „Handwerk“ gehen. Und manchmal geht es uns in diesem Dienst besser und manchmal schlechter, manchmal finden wir gute Mitarbeiter, unterstützende Laien und Familienmitglieder, manchmal nicht und dann wird alles schwieriger. Ich weiß, dass vor über 70 Jahren, als wir mit der Ordination von Frauen begannen, in vielen Gemeinden ein ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber Frauen herrschte, was ihren Dienst extrem schwierig machte. Ich bin froh, dass dies heute nicht mehr der Fall ist. Und ich bin stolz darauf, dass in der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder Predigerinnen und Prediger für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden, was im Kontext der tschechischen Gesellschaft gar nicht so selbstverständlich ist. Frauen werden in unserem Land generell unterbewertet.
Es ist für mich persönlich und für meinen Dienst von großer Bedeutung, dass ich zu einer ständigen Gesprächsgruppe gehöre. Das sind zehn Kollegen, mit denen wir uns seit Jahren treffen. Wir tauschen uns über unsere persönlichen Geschichten aus, analysieren strukturiert unsere (vor allem pastoralen) Arbeitsprobleme, sprechen offen über unseren Glauben, diskutieren aktuelle theologische Themen, bilden uns weiter, singen, beten und essen gemeinsam zu Abend. Und nun das Wichtigste: Die Gruppe ist bunt gemischt, sie besteht aus Frauen und Männern unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Erfahrung. Die Treffen und unsere Beziehungen sind deshalb unterstützend, korrigierend und bereichernd.
Pavel Pokorný hat nach dem Theologiestudium in Prag und Berlin (DDR) als Pfarrer in Trutnov in Ostböhmen (Sudetenland) und dann in Prag gearbeitet. Neben der Arbeit in der Gemeinde war er auch Krankenhaus- und Hospizseelsorger. Seit 2021 ist er Synodal Senior (sozusagen Bischof) der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder. Er hat vier Kinder und fünf Enkelkinder. Seine Frau ist Kinderpsychologin. Er erinnert sich gerne an die Begegnung mit der evangelischen Jugend aus Hermannstadt und die Besuche der tschechischen Gemeinde in Peregu Mare.