"Wirtschaftsgott oder Heiland"
Die schriftliche Predigt für den Onlinedienst der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) stammt am Dritten Sonntag im Advent (13. Dezember 2020) von Pfr. Kurt Boltres. Er betreut die Kirchengemeinden in Honigberg und Rosenau und befasst sich hier mit Lk. 1,67-79.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, heute feiern wir den 3. Advent. Das sehen wir auch an der drei Kerze, die an unserem Adventkranz brennen. Für mich zumindest bleibt die Adventzeit solange ich zurückdenken kann, eine besondere Zeit. Im Haus wurde immer in dieser Zeit allabendlich der Adventkranz angezündet, in früheren Zeiten war er auch selber gebunden, doch aus Zeitmangel, jetzt vom Markt gekauft. Lieder und Flötenspiel gehörten dazu; Stille und Besinnung ebenfalls.
Doch nicht nur der Adventkranz brachte eine besondere Atmosphäre ins Haus, sondern die ganze Wohnung haben wir adventlich geschmückt, mit Transparenten am Fenster, mit Tannenzweigen an der Haustür, mit Duftkerzen und anderem Krimskrams. Manchmal sah das Haus überfüllt aus, manchmal auch bedürftig. Aber jedesmal kamen auch besinnliche und weihnachtliche Gedanken hinzu. Das war einmal so.
Und wenn ich behaupte, dass es einmal so war, dass unsere Kirchen und unsere Häuser die ersten waren, die in unseren Dörfern den Advent ankündeten, so habe ich recht. Zunächst mit viel Freude, doch in der schweren Zeit nach dem Krieg nur noch zaghaft, im Verborgenen. Christliche „Propaganda“ war damals unerwünscht.
Aber die Zeiten haben sich geändert. Längst bestimmt der Weltmarkt, wann es „zu weihnachten“ hat, und wann nicht. Denn rings um uns hat schon längst der Advent begonnen, als wäre da alles in Ordnung. Jetzt mit einigen Restriktionen, doch es war vor einem Jahr noch bunt und lautstark, wenn die großen Tannen auf die Marktplätze gestellt wurden und der Christkindlmarkt in amerikanischer Weise eröffnet wurde. Und schon Ende September wurde im Großhandel bereits Weihnachtsschmuck angeboten. Auch wenn die orthodoxe Kirche keinen Advent kennt, sondern nur die vorweihnachtliche Buße (post in ajunul craciunului), so ist auch sie von diesem Rausch der Marktwirtschaft überrannt worden.
Es wird also rund um unsere christliche Kirche dem Gott der Marktwirtschaft gehuldigt. Dieser macht jetzt, bis nach Neujahr, die Regeln und Gesetze, er diktiert das Verhalten und das Handeln, er setzt die Maßstäbe und die Ziele. Nicht zuletzt diktiert dieser Wirtschaftsgott auch die Zeit, wie lange ein Artikel marktkonform zu bleiben hat. Der Einfluss dieses Gottes reicht nun bis tief hinein in die private und fromme Sphäre der christlichen Gemeinschaft. Es sieht so aus, als würden die Menschen diesem Gott mehr huldigen, als seiner Kirche. Ihm beugen sie „anbetend die Knie“ und weniger dem kommenden Christus.
Damit sind wir in großen Zwiespalt geraten mit unseren Vorbereitungen auf Weihnachten hin. Auch wenn heuer andere Regeln gelten. Doch im Hinterkopf dienen wir einerseits dem Gott der Marktwirtschaft, der uns mit allerhand Angeboten über Medien locken will, und andererseits unserem Schöpfer, der jetzt im Adventus unsere Herzen von neuem besuchen will. Beide Zielsetzungen und beide Ereignisse fallen auf dieselben Dezembertage.
Die Begeisterung für den Gott der Marktwirtschaft kennen wir und seine Angebote liegen auf der Hand. Wir wagen da früher oder später einen Zugriff. Bis dahin sparen wir noch ein wenig Geld, dann aber leeren wir die Brieftasche ganz, um uns dem Kaufrausch und dem Konsum voll zu ergeben. Alles liegt sichtbar vor unseren Füßen.
Aber wir stellen uns auch die andere Frage: wie bietet sich unser Herr und Schöpfer mit seinem Christkind hier an. Wir müssen uns da nicht agieren, sondern nur in aller Ruhe umschauen, dann mag uns dreierlei in der Botschaft von Lukas 1, 67-97 auffallen; hier das Bibelwort:
MARIAS LOBGESANG
46Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, 47und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes; 48denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. 49Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. 50Und seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten. 51Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. 52Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. 53Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. 54Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,1,54 So Luther 1545. 1522 übersetzte er Vers 51-54: »Er hat Gewalt geübt … und seinem Diener Israel aufgeholfen«. 55wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit. 56Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.
Dann diese drei Punkte:
1. die Menschwerdung Gottes, die Geburt des Jesuskindes, kommt nicht auf uns zu, wie ein Video-clip, und ist plötzlich am Bildschirm als Tatsache da, sondern sie bekommt einen Vorkäufer. Schon viele Tge vor der Gerburt ist sie angekündigt worden durch den Propheten Jesaja, durch den Propheten Micha und durch den Prohpeten Johannes, den wir den Täufer nennen. Alle diese Gottesmänner haben den Messias angekündigt und ihm sein Erscheinen vorbereitet.
2. die beteiligten Menschen verändert die Geburt des Heilandes vollends. Wir lesen davon, dass sie „voll des Geistes sind“ und aufgefordert werden „Buße zu tun, denn das Himmelrich ist nahe herbeigekommen“.
3. diese Veränderung geschieht dadurch, dass diese Menschen sich verändern und durch das Neue begabt werden. Bei Zacharias ist das ersichtlich, er ist Kraft seines prophetischen Vermögens, seiner Begabung fähig, das auszusprechen, was sich in der Heiligen Nacht auch bestätigt.
Zwar liegen diese Aussagen weit zurück in der Zeit, aber sie sind dennoch aussagekräftig genug den Advent des Heilandes zu bestätigen. Das zeigt auch, dass wir Christen den Advent, also das Kommen des Heilandes, anders feiern als es die Regeln der Marktwirtschaft vorgeben oder die Mode dies vorschreibt. Ein Rundblick in unserem Umfeld genügt um dieses festzustellen.
Aber im Anbrennen der Kerzen und im häuslichen Vorbereiten des Advent, in den Gebeten und den Liedern, rufen wir Christen uns in Erinnerung, dass sich die Verheißung Gottes und sein Versprechen erfüllen werden. Denn die Erlösung ist Realität geworden. Durch Jesus sind wir erlöst, erworben und gewonnen worden, von aller Sünde und dem Bösen. Ja, der komende Jesus hat uns selbst den Himmel eröffnet, durch sein oft unbegreifliches Opfer am Kreuz.
Natürlich werden uns die großen Marktwirtschaftler, anhand ihres großen Profites, belächeln,- und sagen, das in ihrem Tempel die Würfel fallen werden. Denn ihr Tempel bietet nichts anders als Essen und Trinken und Kleidung und Wohlstand und Luxus und Arbeit an.
Doch der Lobgesang der Maria, und die ganzen Prophezeihungen der Propheten, werden, seit mehr als 2000 Jahren, Jahr für Jahr ausgesprochen. Sie erklingen Jahr für Jahr aufs Neue und die Menschen nehmen sie an. Niemand hat versucht sie zu verändern; die Prophezeihungen sind dieselben geblieben.
Man kann hier nicht von einem Prozentsatz sprechen, so wie es bei den Wahlen und anderen Entscheidungen geht, denn es ist seit Anbeginn des Heils in Christus immer dasselbe Angebot. Es hat sich nämlich erwiesen, dass das Angebot der Marktwirtschaft an Essen, Kleidung, Trinken, Wohnung, Luxus, Arbeit (Realität) vergänglich ist. Denn all dieses hat keinen Bestand. Und der Glanz von Gloria, Klang und Frische, wie sie immer wieder durch den Gott der Marktwirtschaft angeboten werden, haben ihre Gültigkeit verloren.
Denn nur ein Teil der Teilnehmer am weihnachtlichen Marktleben verdienen und jubeln dahinter, die anderen sind die Ausgebeuteten, die Verlierer. Wohl gibt es den Teil, der sich die Weihnachtsfreude am Weihnachtsmarkt durch Erspartes erkaufen will, doch das ist nicht das, was Advent und Weihnachten eigentlich aus macht. Es ist nicht das, was im christlichen Weihnachtsangebot an erster Stelle steht.
Aber der Jubel um das neue Wort vom Heil durch Jesus erfüllt jetzt die ganze Welt. Diese Verheißung hat Gehalt und bewirkt Vieles im Glauben. Denn auch ohne Glammour, auch ohne Reklame, auch nicht konsumgerecht, auch ohne Prospekte, ohne Broschüren, ohne Teilzahlungen und Transport, auch ohne Clips, ohne Schlager, ohne Hymnen, ohne Düfte, ohne Musik – ohne alles, was diese vergänglichen Produkte begleitet, kommt unsere Botschaft immer wieder an.
Unsere heurige Botschaft bereitet uns auf den Adventus des Heilandes vor, auf das Wiederkommen unseres Heilandes Jesus Christus. Und nicht wir gehen diesem Heiland der Welt entgegen, sondern er kommt uns entgegen. Er kommt nämlich zu den Demütigen, zu den Friedlosen, zu den Gottlosen, zu den Heimatlosen, zu den Sündern, zu den Verlorenen, zu den Kranken, zu den Blinden und zu den Sterbenden. Allen hat er was zu bieten, für alle ist er da, als ihr Heiland, als der Sohn Gottes, der Retter, den wir erwarten. In dieser Erwartung stehen wir nämlich heute.
Er, unser Retter eigentlich, kommt angekündigt und wir erwarten ihn unvorbereitet. Das ist das Problem. Wir lassen uns lieber ein in den Jubel der Zeit und bleiben verblendet und verführt vom Weihnachtsmarkt, vom Weihnachtsangebot, anstatt uns seelisch auf das Kommen des Heilandes vorzubereiten.
Und der Herr wird uns sicherlich fragen: was hast du diese Zeit über getan ? Und was werden wir ihm sagen müssen: Zeit vergeudet, denn all das, was ich bisher angeschafft habe, worum ich mich beworben habe, das ist vergängliche Ware, das sind Schätze des Marktgottes und nicht himmlische Schätze, die der Seele nutzen.
Haben wir jedoch genügend Glauben und Gottvertrauen, so wird uns dieser angekündigte Heiland Kraft geben, das Problem der Zeit zu überwinden. Er wird uns Mut geben den wahren, den erlösenden Christis, den Kommenden, im Glauben zu bekennen und er wird uns in seiner Gnade und Barmherzigkeit zum großen Segen führen. Er wird uns helfen alle Ängste zu überwinden und uns Richtlinien geben, durch das überwältigende Angebot der Marktwirtschaft den christlichen Frieden zu finden.
Amen!
Wir beten:
Wir danken Dir barmherziger Gott, dass du unseren Lebensfragen wieder und wieder Antwort gibst. Wir danken Dir, dass unser Hoffen eine Richtung erhält. Wir danken Dir, dass du dich in Jesus Christus offenbart hast, so dass wir deinen Willen erkennen können.
Doch wir sind Coronabefleckt. Wir sehen nur noch Corona und unser Lebensbild hat Corona-Hintergrund erhalten. Wir haben eine Angst in uns, die sogar die Weihnachtsfreude überschatten kann. Verzwifelt stehen wir da und wanken im Glauben, in der Zuversicht und in der Hoffnung. Wir bitten dich nun: Herr, erbarme dich unser und schenke uns durch Jesus Christus die Rettung aus dieser Krise.
Auch unserer Obrigkeit schenke rettende Gedanken, die uns aufleben lassen und unser Vertrauen zueinander wieder wecken. Gib dem Glauben, dort wo noch Unglauben herrscht neue Kraft und gib, wo Ungewissheit herrscht neues Leben, welches in dir allein geborgen bleibt. Mache uns der rettenden Nähe unseres Heilandes bewusst, dass wir in unseren Gedanken, Worten und Werken mit neuem Elan dich loben und preisen, hier und in Ewigkeit.
Unsere Verwandten, Freunde und Bekannten wollen wir auch nicht vergessen, sie dir anzuvertrauen und für sie um deinen Schutz bitten, hier und auch in der Fremde. Amen.