Zutrauen
Beitrag zum Thema „Frauenordination in der Schweiz“ für die Jubiläumsfeier vom 26. bis 27. August 2024 in Hermannstadt
Nach meiner Ordination habe ich fünf Jahre im Gemeindepfarramt gearbeitet. Danach konnte ich in unserer Kirche eine Fachstelle für Frauenarbeit aufbauen. Die Stelle hat sich immer wieder verändert. Das Thema Gleichstellung von Frauen und Männern ist geblieben. Neu dazugekommen ist das Thema Grenzverletzungen. Ich wurde beauftragt, ein Schutzkonzept für die Zürcher Kirche zu erarbeiten. Heute leite ich viele Schulungen und berate die Gemeinden bei Fällen von Grenzverletzungen.
Speziell ist vielleicht noch, dass ich zwei Mal Gelegenheit hatte, die Situation der Frauenordination in anderen Regionen kennenzulernen. Im Jahr 2012 hat eine Gruppe von Schweizer Pfarrerin eine Reise nach Osteuropa gemacht. Wir haben Kolleginnen aus Tschechien, Ungarn, Rumänien getroffen und auch die Karpato-Ukraine besucht. Dort war die Frauenordination ein paar Jahre davor wieder abgeschafft worden. Eine Weile später wurde sie wieder eingeführt. Und wir haben auch einen Kontakt mit Frauen aus der Reformierten Kirche in Ägypten. Sie kämpfen immer noch für die Frauenordination, die Theologinnen dürfen nur als Pfarrfrauen und Katechetinnen arbeiten.
1. Frauenordination: Wie sieht es heute aus? Wie verorten wir uns heute?
- In Zürich haben wir bereits viermal die Frauenordination gefeiert! Die erste war im Jahr 2008, da haben wir 90 Jahre Frauenordination gefeiert. Schon ganz früh im Jahr 1918 wurden bei uns die ersten beiden Frauen ordiniert! Die Kirche hat das gemacht, aber der Staat hat es nicht anerkannt, weil es kein Wahlrecht gab für Frauen. Die beiden Theologinnen durften darum auch nicht in ein kirchliches Amt gewählt werden. Sie haben viele Jahrzehnte als Pfarrhelferinnen gearbeitet.
-1963 wurde dann die Frauenordination eingeführt. Doch bis 1981 durften sie noch nicht allein ein Pfarramt führen. Nur wenn es auch einen Mann in der Gemeinde hat.
- Seither ist der Anteil an Frauen im Pfarramt stetig gewachsen und liegt heute bei über 40%. Ich habe in den 90er-Jahren auch noch erlebt, dass Leute aus der Gemeinde mir z.B. eine schwierige Beerdigung nicht zugetraut haben. Inzwischen sind die Frauen im Pfarramt sehr beliebt.
- Es gibt Kollegen, die fürchten sich vor der „Feminisierung der Kirchen“. Sie meinen, wenn eine Frau den Gottesdienst hält, kommen weniger Männer in die Kirche. Sie denken auch, dass dann ein „verweichlichtes“ Gottesbild gepredigt wird. Doch solche Äusserungen haben heftige Gegenreaktionen ausgelöst. Und ausserdem sind wir von einer Frauenmehrheit im Pfarramt immer noch ein Stück weit entfernt. Denn obwohl mehr Frauen als Männer Theologie studieren, gehen doch nicht so viele ins Pfarramt, und sie übernehmen auch eher Teilzeitstellen und arbeiten bevorzugt in den Institutionen (Spital, Gefängnis).
2. Was sind die Herausforderungen, und wie wurden / werden sie gelöst?
- Herausforderungen sind oft die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch die sehr hohen Anforderungen, die die jungen Frauen an sich selber stellen. Leider hören mehr Frauen als Männer nach einigen Jahren wieder auf und ziehen sich aus dem Pfarramt zurück.
- Zur Bestärkung ist der Austausch unter den Frauen sehr wichtig. Wir hatten über viele Jahre hinweg Frauenkapitel und Tagungen unter Pfarrerinnen.
- Vor einigen Jahren hat sich auch eine Gruppe von jungen Pfarrerinnen zusammengetan, die sich alle zwei Monate online treffen und austauschen. Diese Gruppe hat auch die neueste Feier 60 Jahre Frauenordination organisiert. Das war ein sehr lustiges, ermutigendes Fest in Form eines Frauenmahls.
3. Was rate ich einer jungen Frau, die Pfarrerin werden möchte?
- Es ist ein toller Beruf, gerade auch für Frauen.
- In den Gemeinden sind Frauen sehr beliebt. Schwierig sind allenfalls die Kirchenleitungen, oder die Kollegen, aber die Menschen in den Gemeinden sind sehr dankbar und haben oft einen besseren Zugang zu Pfarrerinnen.
- Lass Dich nicht beirren. Manchmal muss man Erwartungen durchbrechen, solche von anderen, und auch eigene.
- Suche Dir eigenes Wissen, eigene Lektüre. Es wird nicht alles serviert, was Du wissen möchtest und brauchen kannst.
- Suche Dir Vorbilder -iIn der Bibel, in der Geschichte, in Deiner Kirche, in Deinem Umfeld, eine symbolische Mutter oder eine Mentorin.
- Vernetze Dich mit anderen Frauen! So kannst Du Schwieriges teilen, aber vor allem auch: gemeinsam lachen, einander ermutigen, zusammen feiern, wenn man etwas erreicht hat.
Pfarrerin Sabine Scheuter, Schweiz