Predigt Pfr. Dr. Stefan Cosoroabă (Kolosser 3, 16-17)
Traun (Österreich), 19. X. 2014
Liebe Schwestern und Brüder aus Traun,
und besonders: liebe Siebenbürger aus Traun!
Im heutigen Gottesdienst treffen zwei Gedenkveranstaltungen aufeinander. Es ist zum einen die „Pilgerreise für Frieden und Gerechtigkeit“, die die Evangelische Kirche A.B, aus Rumänien zusammen mit ihren Partnern begonnen hat. Unter dem Titel „Glauben und Gedenken“ wurden bislang Gottesdienste von Hermannstadt über Bistritz, Regen und Budapest bis hin in Eure Nachbarschaft, in Seewalchen gefeiert. Und überall standen im Mittelpunkt die Gedanken zu der Flucht und Vertreibung der Nordsiebenbürger Sachsen vor 70 Jahren. Nun sind wir heute in Traun und wollen auch hier Gott bitten, dass solche Ereignisse nicht mehr stattfinden. Dass das Leid der Vorväter nicht nur Erinnerung bleibt sondern zum Handeln in der heutigen Welt bewegt.
Die zweite Gedenkveranstaltung die wir heute begehen ist eure, lokale, die ihr unter den Namen „Gedanken zum Gedenken“ gestellt habt. Sie hat euch am Freitag im Lichte der Fackeln zu den Gräbern der Altvorderen gebracht und im Schloss Traun für die Möglichkeit des neuen Anfangs in dankbarer Gemeinschaft verbunden.
Sind zwei Veranstaltungen zu dem gleichen Thema nicht doch zu viel? Nein. Denn je mehr solcher Momente des Gedenkens es gibt, desto mehr stellt man fest, aus wie vielen Perspektiven man die Ereignisse von 1944 betrachten kann. Wir sprechen und hören von dem Schrecken der Vertreibung aber wir vergessen auch nicht den Segen des Neuanfanges. Wir sprechen von den Nordsiebenbürgern als von Opfern des Krieges vergessen aber auch nicht die Schuld, die sie durch den Nationalsozialismus auf sich geladen haben. Wir sprechen von den Ereignissen als einem kleinen Moment in der langen Geschichte der Vertreibungen im 20. Jahrhundert aber wir vergessen auch nicht den Blick auf die Tragik der Einzelschicksale zu richten. Welches ist denn – von diesen und weiteren Gedenken - die korrekte Perspektive? Mit Sicherheit sind sie alle legitim und wichtig. Aber das Einnehmen lediglich e i n e r Perspektive vereinfacht das Gedenken und verarmt es gleichzeitig, denn alle sind wichtig und alle gehören zusammen. Die Ereignisse von vor 70 Jahren sind so komplex wie das Leben selbst es ist, wie jedes einzelne Leben eigentlich ist. Denn in jedem Leben gibt es Verlust und Neuanfang, Schuld und Leiden gleichermaßen. Jedes Leben ist allgemein aber dann doch besonders. Jedes Leben ist vielfältig und komplex.
Deswegen ist auch das Motto Eurer Gedenkveranstaltung „Gedanken zum Gedenken“ so treffend ausgewählt, denn auf den Gedanken kommt es an um das Gedenken zu erfassen, um es einzuordnen. Welche Perspektive regiert das Geschehen? Welcher Gedanken ist es denn, der uns den roten Faden liefert? Wie aber der Gedanke das Geschehen beeinflussen kann, lasst mich mit einer kurzen Geschichte beleuchten: Ein Mann besucht ein Konzert. Er sitzt im dunklen Saal und lauscht verzaubert dem Meer von Klängen, die den Raum füllen. Harmonie und Erhabenheit erfassen ihn. Und plötzlich, mitten hinein in den Genuss des Konzertes beschleicht ihn ein Gedanke: „Ich habe das Auto vergessen abzu schließen!“ Und auf einmal ist es mit der Harmonie und der Erhabenheit vorbei. Panik erfasst ihn. Es peinigt ihn der Gedanke, ob er denn das Auto überhaupt wiederfinden wird nach dem Konzert?! Aufstehen kann er nicht, denn dazu müsste sich die ganze Stuhlreihe erheben. Aber den Gedanken verdrängen kann er auch nicht… So quält er sich durch das, was vorher Genuss gewesen war.
Kommt Euch das bekannt vor? Ja, denn so ist das Leben. Umsonst habe ich das schönste und beste Leben, umsonst sieht man von außen nur Wohlstand und Sonnenschein, wenn mich ein unseliger Gedanke quält. Auf den Gedanken kommt es eben an. Der gibt oder nimmt dem Leben seinen Wert. Als Pfarrer weiß man, wie man bei jeder Beerdigungspredigt den roten Faden im Leben des Verstorbenen sucht, der alles verstehbar machen soll. Das Gewicht des erläuternden Gedanken gilt sowohl für das Leben eines einzelnen Menschen, als auch für Ereignisse von Gemeinschaften, wie es auch die Flucht vor 70 Jahren gewesen ist. „Gedanken zum Gedenken“.
Ihr Lieben,
die zweite Gedenkveranstaltung, die der Evangelischen Kirche A.B. aus Rumänien, trägt den Namen „Glauben und Gedenken“ und liefert damit den Gedanken gleich mit, unter dem die Ereignisse zu betrachten wären. Wie es von einer kirchlichen Aktion nicht anders zu erwarten ist, ist es das Hervorheben der Notwendigkeit der Gottesbeziehung, die uns überall und zu aller Zeit begleitet. Sie kann auch in schweren Zeiten, wie sie es 1944 waren, Menschen Ausrichtung und Trost schenken. Sie hat es auch getan. Zahlreiche Einzelschicksale belegen, wie Gebet und Wort Gottes in den Zügen und den Wagentrecks so manchen dunklen Moment erhellen konnte.
Doch eines ist klar: ein s c h l e c h t e r Gedanke ist rasch bei der Hand und wirkt eindringlich. Rasch wird der Geist klein und krank. Man muss sich nicht sehr anstrengen um ein Herz zu vergiften. Dazu wiederum eine ganz kleine Beispielgeschichte: Ein blinder Mann findet die Liebe seines Lebens. Er ist glücklich und sein ganzes Leben verändert sich dadurch. Freude und Glück sind seine Begleiter. Bis eines Tages. Bis zu dem Tag an dem ihm jemand sagt, dass seine Frau ein hässliches Gesicht habe …
Ja, es ist leicht mit einem schlechten Gedanken alles kaputt zu machen. Aber wie schwer ist es, dass ein g u t e r Gedanke das Leben verändert! Wir erkennen, dass es viel einfacher ist einen Krieg zu beginnen und auch zu gewinnen als danach wieder Frieden unter die Menschen zu bringen. Zerbrochenes Gleichgewicht ist schwer wieder zu kitten. Wir sehen es an den Beispielen der Länder und Völker, die nach einem Krieg seit Jahren und Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen können, wie in Afganistan oder dem Irak. Das Böse ist leicht entfesselt, das Gute scheint ohnmächtig zu sein.
Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir die guten Gedanken pflegen und bewahren um dem Leben eine segensreiche Ausrichtung zu geben. Es ist wichtig, dass wir die christlichen Werte unter uns wachhalten, wie es in unserem Predigtwort von uns verlangt wird. Der Apostel schreibt an die Kolosser: „Lasst das Wort Christi reichlich unter Euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“ Der Apostel fordert auf uns beständig gegenseitig das „Wort Christi“ näher zu bringen. In täglicher und sonntäglicher Pflicht sollen wir uns der Tiefe des Wortes Christi vergewissern. Wir sollten es aber nicht nur um seiner selbst tun, sondern um dann unser Leben danach auszurichten, um es zu dem „Gedanken“ zu machen, der uns leitet. So schreibt der Apostel denn weiter: „Und alles was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater durch ihn.“ In all unserem Tun und Lassen kann Jesus Christus der rote Faden des Handelns für uns sein.
Ist das, was ich sage, aber nicht nur christliche Rhetorik? Der christliche Gedanke, scheint so oft ein ohnmächtiger Gedanke zu sein! Wir haben so wenig Kraft auf die Nöte dieser Welt einzuwirken, es sind so wenige die sich tatsächlich von Jesus Christus leiten lassen! Unsere Gesellschaft und unser Leben habennun mal dunkle Seiten, die bei aller Mühsal der Kirchen und Einsatz von Christen nicht behoben werden können. Doch solcheResignation vor der Ohnmacht trete ich heute mit Entschlossenheit entgegen: Nein, es lohnt sich die guten Gedanken zu pfelgen! Wir haben viel, sehr viel von dem Namen Jesu, der in unserer Mitte ist. Aber seine starke Wirkung ist so alltäglich geworden, so dass wir sie gar nicht mehr sehen. Gewohnheit verschleiert den richtigen Blick. Wir müssen hingegen nur Gesellschaften und Situationen ansehen, die den Namen Jesu n i c h t in ihrer Mitte haben, die den guten Gedanken einer christlichen Existenz von sich weisen. Blicken wir zurück auf den atheistischen Kommunismus oder hin auf den militanten Islamismus! Folter und Menschenverachtung, Vertreibungen und Hinrichtungen vor laufender Kamera gehören zum Alltag. In so einer Gesellschaft wollen wir nicht leben. Und erst wenn wir diese Möglichkeiten vor unseren Augen haben, wissen wir den Wert des christlichen Gedankens zu schätzen, der in unserer Mitte wohnt. Er ist beileibe kein ohnmächtiger Gedanke, sondern einer der mit Geduld und Liebe Menschen und Welten verändern kann. Deswegen ist es so wichtig nicht nachzulassen und uns gegenseitig zu ermahnen, sei es mit Psalmen und geistlichen Liedern oder eben auf eine andere Weise, die uns entspricht. Es ist lebenswichtig, den Geist Christi unter uns wirken zu lassen um nicht anderen Geistern Raum zu überlassen.
Es liegt nicht in unserer Macht Leid, Vertreibung oder Flucht aus dieser Welt zu verbannen. Situationen wie die vor 70 Jahren wiederholen sich laufend, nicht zuletzt vor den Küsten Europas. Aber es liegt an uns der Komplexität des Lebens einen guten Sinn zu verleihen. Es liegt an uns den Namen Jesu in unserer Mitte zu pflegen.
Möge der gute Gedanke zum Gedenken euch in Traun Kraft geben die Höhen und die Tiefen der Gegenwart zu gestalten. Amen